RONDA R150: Eine neue Alternative unter den mechanischen Uhrwerken

Liebhaber mechanischer Uhren gibt es auch im Zeitalter von Fitnesstrackern und Smartwatches immer noch reichlich. Also bräuchte die Branche eigentlich keine Sorgen haben, denn offensichtlich gibt es ein fast schon konstruktives Nebeneinander zwischen den beiden Welten.

Problematischer wird es für die Quarzuhr. Deren Absatz leidet ganz erheblich unter den neuen Technologien. Warum ist das so? Nun, zum einen konkurrieren beide Produktgruppen nahezu in derselben Preiskategorie und auch bei der Quarzuhr handelt es sich bekanntlich um ein Produkt, welches mit Elektronik und einer Batterie oder Solarzelle als Energiespeicher arbeitet.

Nun fragt sich der Kunde, weshalb es dann nicht gleich etwas mehr an Funktion sein darf, einhergehend mit besserer und modernerer Elektronik und der damit verbundenen Intelligenz unter der Haube. Und schon sind wir beim Erfolg der smarten Uhren angekommen.

Statt zur Quarzuhr greifen immer mehr Kunden zu Fitnesstrackern oder Uhren mit smarten Funktionen.

Die mechanische Uhr ist jedoch etwas grundlegend anderes. Sie ist bekannt für Nachhaltigkeit, Robustheit und lange Lebensdauer. Nicht von Ungefähr wirbt Patek Philippe bei seinen extrem hochwertigen Uhren der Premiumklasse unter anderem damit, dass es sich bei der Anschaffung um eine Wertbeständigkeit über Generationen hinweg handelt. Dass dem tatsächlich so ist, beweisen immer wieder exzellente Ergebnisse bei Versteigerungen seltener Vintage-Modelle.

Bei einer Quarz-Uhr oder einer Smartwatch kann und wird das hingegen nie der Fall sein. Elektronik ist etwas Kurzlebiges und Vergängliches, deshalb ist auch der aktuelle Hype um das Elektrofahrzeug sehr mit Vorsicht zu genießen. Wirkliche Oldtimer auf Basis der modernen Technologien wird es kaum geben.

Kommen wir zurück zur mechanischen Uhr und sehen uns den Käuferkreis dazu etwas näher an. Der Käufer einer mechanischen Uhr lässt sich weder einer bestimmten Altersklasse zuordnen, noch einer bestimmten oder bevorzugten Berufsgruppe. Das ist gut und schlecht zugleich. Es gibt sie also gar nicht die spezifische Zielgruppe? Doch, es gibt sie schon, aber eben durch alle Altersklassen und Berufsbilder hindurch.

In allen Fällen handelt es sich um Menschen, die sich wegen der zuvor erwähnten Nachhaltigkeit, der Wertstabilität und des Ausdrucks einer gewissen Individualität ganz bewusst der Mechanik zuwenden. Darunter sind bezeichnender Weise auch IT-Fachleute, die, nachdem sie sich ohnehin den ganzen Tag über mit digitaler Technik auseinandersetzen, am Handgelenk und in ihrer Freizeit als Gegenpol mehr der analogen Welt zuwenden und damit auch ein Statement setzen.

Ein phaszinierendes Stück Mechanik: Eine rund 100 Jahre Maschine zum Guillochieren und Veredeln von Oberflächen

Aber nur die wenigsten derer, die zur Entschleunigung gerne eine hochwertige mechanische Uhr tragen möchten, können oder wollen sich eine Patek Philippe, Rolex, Omega oder IWC leisten, um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Für diejenigen, die sich einen deutlich engeren Budgetrahmen setzen, gibt es zwar nach wie vor ein breites Angebot verschiedenster Anbieter, aber einige davon haben immer größere Mühe, von der Swatch Group mit mechanischen Uhrwerken aus dem Hause ETA versorgt zu werden. Gemäß der Strategie des Hauses soll ETA mehr und mehr zu einem reinen Inhouse-Lieferanten umerzogen werden, ganz zu Lasten des bislang gut laufenden Drittkundengeschäftes. Eine Strategie, die man nicht unbedingt verstehen muss.

Viele Kunden der ETA setzen die zuverlässigen und bewährten Kaliber der Serien 2824, 2892 oder das als Valjoux 7750 berühmt gewordene Chronographenkaliber gerne ein. Da die Verknappung des frei verfügbaren Angebotes sich aber bereits seit einigen Jahren abzeichnet, haben sich andere Anbieter auf den Weg gemacht und bieten alternative Lösungen an.

Sellita SW200-1

Allen voran Sellita, die mit den Produktserien SW200, SW300 und SW500 das zuvor genannte Spektrum der ETA mittlerweile perfekt abbilden. Da die Uhrwerke von Sellita denen der ETA bauähnlich sind, ist auch ein wahlweiser Verbau in ein und demselben Gehäuse möglich.

Nun hat sich ein weiterer, mehr aus dem Umfeld der Quarzuhren bekannter Schweizer Uhrwerkehersteller neu ausgerichtet, sich alter Tugenden besonnen und ein mechanisches Dreizeiger Automatik-Kaliber von Grund auf neu entwickelt.

RONDA R150 automatic

RONDA hat Aktivitäten in diese Richtung bereits vor gut 4 Jahren Jahren gestartet. Die ursprüngliche Fertigung mechanischer Uhrwerke wurde zugunsten der ausschließlichen Produktion von Quarzkalibern ursprünglich in den 1980er Jahren eingestellt.

Nachdem die ausgiebige Testphase des neu entwickelten RONDA R150 genannten Kalibers positiv abgeschlossen werden konnte, liefert RONDA erste Werke an Uhrenhersteller aus. Das R150 sollte insofern von großem Interesse sein als es mit einem Durchmesser von 11 ½ Linien, exakt dem ETA 2824 entspricht. Die Bauhöhe fällt mit 4,40 mm jedoch geringfügig niedriger aus. Bereits damit wird deutlich, dass es sich nicht um einen Clone des 2824 handelt, wie dies beispielsweise beim SW200 von Sellita oder dem STP I-II von der Fossil Group der Fall ist.

Da alle Theorie bekanntlich grau ist, haben wir auf dem Markt nach einem Uhrenhersteller Ausschau gehalten, der das neue Uhrwerk bereits verbaut, um zu sehen, wie es sich in der Praxis und am Handgelenk verhält.

Nach einigem Suchen sind wir bei Aristo-Vollmer in Pforzheim fündig geworden. ARISTO ist der erste Uhrenhersteller in Deutschland, der von RONDA mit dem neuen Kaliber versorgt wird. Das Deutsche Uhrenportal erhielt von ARISTO dann in weiterer Folge kurzfristig ein Exemplar für eine mehrwöchige Beurteilung zur Verfügung gestellt.

ARISTO Fliegeruhr, ausgestattet mit RONDA R150 automatic

Nach dem Auspacken der Uhr war zwar auch die Anmutung von Gehäuse und Zifferblatt ein Thema, doch die Spannung stieg an, bis nach dem Wenden der Uhr der Blick durch den Glasboden auf das neue Automatik-Kaliber RONDA R150 fiel.

Auffälliges Merkmal gegenüber dem in der Einsteigerpreisklasse zumeist anzutreffenden ETA 2824 oder Sellita SW200 ist das deutlich größere Lager des Aufzugsrotors. Anders als beim ETA 2824 wird das Rotorlager nicht mit einer Zentralverschraubung auf dem Aufzuggestell fixiert, sondern mit drei kleineren am Umfang im Winkel von 120 Grad versetzten Schrauben.

Rückansicht des RONDA R150: Gut zu erkennen, das ins Uhrwerk integrierte Räderwerk für den automatischen Aufzug; das reduziert die Bauhöhe.

Das mit insgesamt 7 Kugeln bestückte Lager fällt im Durchmesser deutlich größer aus als beim 2824, jedoch kleiner als beim etwas überdimensionierten 2892. Am ehesten erinnert der Anblick an das Soprod A10. Aber auch hier ist der Durchmesser nicht exakt der gleiche.

Der Rotor zieht wie beim 2824 oder auch 2892 beidseitig auf. Das Laufgeräusch ist dabei angenehm leise, was beim 2824, oder besonders auch SW200, nicht immer der Fall ist. Die geringfügig niedrigere Bauhöhe kommt der Optik insofern zugute als das Werk auf der Rotorseite weniger bauchig wirkt.

Das war es dann aber auch schon hinsichtlich der Optik. Das Werk hinterlässt zwar einen insgesamt sauber und routiniert verarbeiteten Eindruck, aber eine Aufwertung durch Schliffe oder gar Verzierungen sind nicht auszumachen. In Anbetracht des günstigen Preises der Uhr von EUR 495.- ist das aber leicht zu verschmerzen.

Gemäß der auf dem Rotor aufgebrachten Beschriftung weist das Werk – wie im Übrigen auch das ETA 2824 – 25 Lagersteine aus künstlichem Rubin auf. Die Hemmungsbaugruppe arbeitet mit 28.800 Halbschwingungen/sec, entsprechend 4Hz. Auch besitzt das R150 eine Feinregulierung über eine Exzenterschraube am Rücker. Für den Uhrmacher vor Ort also ein leichtes, die Gangwerte bei Bedarf nachzuregulieren.

Rückansicht des RONDA R150: Hier gut zu erkennen die Hemmungsbaugruppe mit konventionellem Rücker und Feinreguleirung mittels Exzenter

Ein besonderer Magnetfeldschutz in Form des Einsatzes von Silizium oder anderer spezieller amagnetischer Materialien ist nicht vorhanden. Unseres Erachtens aber auch gar nicht erforderlich. Der an dieser Stelle von manchen Anbietern getriebene Aufwand, das Uhrwerk selbst gegen magnetische Einflüsse immun zu machen, ist nicht immer gleichzeitig die Gewähr für besseren und einfacheren Service. Im Gegenteil: Aus Silizium gefertigte Bauteile sind extrem spröde und damit bruchanfällig. Für das Handling bei der alle paar Jahre fälligen Revision also eine zusätzliche Herausforderung für den Uhrmacher.

Das RONDA R150 von der Aufzugsseite

RONDA folgt diesem Modetrend nicht und fertigt das Uhrwerk stattdessen aus bekannten und über Jahrzehnte bewährten Werkstoffen, mit denen jeder Uhrmacher umzugehen versteht. Soll die Uhr und damit das Uhrwerk dennoch gegen Magnetfelder abgeschirmt werden, so übernimmt der Uhrenhersteller die Aufgabe, dies über die Gehäusekonstruktion zu bewerkstelligen.

Nehmen wir die Uhr also nach dieser ersten ausführlichen Begutachtung in Betrieb. Um der Aufzugsfeder vom Stand weg etwas Spannung zu verleihen, betätigen wir die Krone und stellen fest, dass der Aufzug etwas schwergängiger geht als erwartet. Das mag zum Teil an der etwas klein geratenen Krone liegen, zum anderen aber wohl am Uhrwerk selbst. Ein uns von Firma ARISTO noch eigens zur Verfügung gestelltes nicht eingeschaltes Uhrwerk zeigt ebenfalls eine leichte Schwergängigkeit im Vergleich zum Wettbewerb.

Das RONDA R150 von der Zifferblattseite

Bei einer Uhr mit automatischem Aufzug spielt das aber keine wirklich vordergründige Rolle. Ziehen wir die Krone in die erste Raste, aktivieren wir die Datumseinstellung und in der zweiten Raste die Zeigerverstellung. Beide Mechanismen arbeiten leichtgängig und präzise. Das Zeigerspiel ist erfreulich gering, so dass eine exakte Justierung möglich ist. Bei vollständig gezogener Krone ist überdies der Sekundenstop aktiviert, so dass ein sekundengenaues Stellen ermöglicht wird.

Wir nehmen die Uhr ans Handgelenk und tragen sie über den Tag. So kann das Uhrwerk etwas einlaufen, bevor wir diese dann erstmalig auf die Zeitwaage legen.

Unter Vollaufzug ergeben sich die nachfolgenden Gangwerte.

Pos. Gang [sec] Abfall [ms] Amplitude [Grad]
ZO 0 0 280
ZU 8 0 270
KU 5 0 260
KL -2 0 245
KO 1 0 255
KR 4 0 235
X 2,7 0 258
D 10 0 45
DVH 0,8 0 26
Di 2 0 -35

Legende:
ZO / ZU: Zifferblatt oben bzw. unten
KU / KL / KO / KR: Krone unten, links, oben bzw. rechts
X: Mittelwert aus allen Prüflagen
D: Differenz zwischen dem grössten und kleinsten Messwert
DVH: Differenz zwischen den Mittelwerten der vertikalen und horizontalen Prüflagen
Di: Gangdifferenz zwischen den Prüflagen KL und ZO

Die Amplitude erreicht nicht ganz die hohen Werte, wie die eines ETA 2824, ist aber ordentlich. Lediglich die Differenz zwischen Zifferblatt unten und Zifferblatt oben mit 45 Grad überrascht etwas.

Die Gangabweichung ist erfreulich gering, der Abfallfehler beträgt konstant 0 ms. Beide Kriterien zeugen davon, dass das Uhrwerk sorgsam einreguliert wurde.

Der Mittelwert der Gangabweichung beträgt knapp 3 sec, die Differenz zwischen Zifferblatt oben und Krone links, einer Kombination, die im täglichen Gebrauch vergleichsweise häufig anzutreffen ist, beträgt genau 2 sec. Damit lässt sich sehr gut leben.

Die von ARISTO zur Verfügung gestellte Fliegeruhr mit RONDA R150 automatic

Wird die Uhr für mehrere Tage am Arm getragen und nachts mit dem Zifferblatt nach oben abgelegt, so ergibt sich im Schnitt eine Gangabweichung von nur 3 sec/Tag und bestätigt die mit der Zeitwagge ermittelten Gangwerte. Eine Uhr mit Chronometerzertifikat würde in der Praxis kaum genauer laufen.

Das ist ein hervorragendes Ergebnis. Wird die Uhr hingegen für einen Tag abgelegt und erst am Folgetag wieder ans Handgelenk genommen, so dreht der Gang leicht ins Minus. Bei abnehmender Federspannung gehen Amplitude und Gangwerte insgesamt leicht zurück. Das ist beim Wettbewerb aber nicht viel anders.

ARISTO Fliegeruhr mit RONDA R150 in südländischer Umgebung

So können wir dem RONDA R150, verbaut in der Fliegeruhr aus dem Hause ARISTO, ein insgesamt gutes bis sehr gutes Zeugnis ausstellen.

Kurzbewertung des RONDA R150:

+ Identischer Durchmesser wie ETA 2824, bei gleichzeitig reduzierter Bauhöhe
+ Beidseitig aufziehender Rotor mit ruhigem Lauf
+ Sehr gute Gangwerte
+ Robuste und servicefreundliche Konstruktion mit Exzenterfeinregulierung, unter Verwendung bewährter Materialien
+ Gute Verarbeitung; Oberflächen in guter Industriequalität
+ Günstiger Preis

– Aufzug über die Krone etwas schwergängig
– Amplitude in der Position KR vergleichsweise niedrig
– Keine Veredelung der Oberflächen
– bislang keine weiteren Komplikationen erhältlich

Bei unseren technischen Recherchen zum Uhrwerk sind wir im Netz auf weiteres Informationsmaterial gestoßen, welches wir als Ergänzung unbedingt zur Lektüre weiterempfehlen möchten:

Andreas Kelz, der Autor dieses Berichts hat sich viel Mühe gemacht, das Uhrwerk komplett zerlegt und dabei jeden einzelnen Schritt sowie die Funktionsweise genauestens dokumentiert und erklärt. Auch über diese Publikation wird klar, dass RONDA mit dem R150 einen ernsthaften Konkurrenten zu ETA und Sellita auf die Beine gestellt hat.

Was bislang (noch) fehlt ist die Vielfalt. Es gibt derzeit nur die 3-Zeiger Variante mit Fensterdatum bei 3 Uhr. Aber das kann sich ja noch ändern.

 

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