„Made in Germany“ eine Diskussion der Herkunftsbezeichnung

Das Deutsche Uhrenportal versteht sich als Plattform für deutsche Uhrenhersteller bzw. Uhren, welche mit der Herkunftsbezeichnung „Made in Germany“ auf den Markt kommen. Den aktuell viel diskutierten Begriff „Made in Germany“ und die vergleichsweise unscharfe Rechtslage nehmen wir zum Anlass, in die Diskussion einzusteigen und unsere Position zu charakterisieren. Nicht zuletzt gab uns dazu auch die umfassende Berichterstattung zum Thema in der Ausgabe 4/12 der Zeitschrift ARMBAND-UHREN den Anstoss.

Zunächst aber einmal die Frage woher der Begriff eigentlich stammt und welche Zielsetzung er dient.

Als in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den europäischen Ländern die Industrialisierung einsetzte, wurden u.a. die berühmten Messer und Scheren aus Sheffield, Großbritannien, von Deutschen Unternehmen mit oft mäßiger Qualität kopiert. Diese importierten Waren waren oft von minderwertiger Qualität und bei vielen Artikeln handelte es sich um qualitativ schlechte Nachahmerprodukte. Viele dieser Produkte kamen aus Deutschland, so dass deutsche Waren bald einen sehr schlechten Ruf hatten. Deutsche Metallwaren mussten daraufhin in Großbritannien mit dem Warnhinweis „Made in Germany“ versehen werden. Am 23. August 1887 beschloss das englische Parlament daher den Merchandise Marks Act 1887. Dieser schrieb vor, dass auf Waren unmissverständlich das Herkunftsland anzugeben sei. Importierte Ware wurde so für jedermann erkennbar.

Dies löste in Deutschland aber eine immense Qualitätsoffensive aus und so war die Qualität vieler deutscher Waren und deren Preis-Leistungs-Verhältnis vergleichbarer britischer Produkte schon bald überlegen.

Aus dem ursprünglichen Warnhinweis wurde vielmehr ein Qualitätsbegriff. Auch heute noch weckt „Made in Germany“ Vertrauen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde „Made in Germany“ zu einem Synonym für das deutsche Wirtschaftswunder. Wer ein (angeblich) in Deutschland hergestelltes Produkt kauft, erwartet perfekte Qualität. Die Verlockung ist aber groß, hier großzügig über ausländische Produktionen oder Vorprodukte hinwegzusehen.

Durch die Exporterfolge der Bundesrepublik Deutschland und im Zuge der Globalisierung wurde „Made in Germany“ weltweit bekannt. Aber genau im Zeitalter der Globalisierung und Spezialisierung muss das Gütesiegel „Made in Germany“ deutlich differenzierter betrachtet als nur der Frage nachgegangen werden werden, wo der Großteil der Wertschöpfung erfolgt.

Durch die immer weiter voranschreitende Globalisierung enthalten Produkte viel mehr als früher Teile oder Vorprodukte aus anderen Ländern. Ein bekanntes Beispiel ist die Elektronikbranche aber auch die Automobilindustrie: Große Hersteller erbringen etwa 30 bis 40 Prozent der Wertschöpfung selbst; die übrigen 60 bis 70 Prozent entstehen bei spezialisierten Zulieferern im In- meist aber im Ausland.

Einige große Unternehmen verwenden in Marketing und Werbung Hinweise wie „Made by Herstellername“, „designed in Germany“, designed and developed in Germany“ oder „engineered in Germany“. Damit weisen sie implizit darauf hin, dass der Ort der Produktion weniger wichtig als früher geworden ist. Für den Verbraucher bringen solche (eher verwirrenden) Bezeichnungen aber reichlich wenig.

Am 10. November 1995 entschied das Oberlandesgericht Stuttgart:

Auch wenn einzelne Teile oder ganze Baugruppen eines industriellen Erzeugnisses im Ausland zugekauft wurden, darf das Erzeugnis die Bezeichnung „Made in Germany“ tragen, sofern die Leistungen in Deutschland erbracht worden sind, die für jene Eigenschaft der Ware ausschlaggebend sind, die für die Wertschätzung im Vordergrund stehen.“ Anhaltspunkte hierfür sind

  • maßgebliche Herstellung der Ware in Deutschland
  • entscheidender Wertschöpfungsanteil durch Zusammenbau in Deutschland
  • maßgebliche Veredelung des Produkts in Deutschland

Aber was sind nun jene Leistungen, die für Produkteigenschaften ausschlaggebend sind und welche Form der Wertschöpfung zählt dazu? Es gibt dazu schlichtweg keine klaren und für den Hersteller eindeutigen Vorgaben, die dem Verbraucher und Kunden tatsächlich nützen.

Die EU-Administration in Brüssel macht sich derzeit auf den Weg, Klärung herbeizuführen. Die bislang bekannt gewordenen Details (z.B. Wertschöpfung > 45% im jeweiligen Herkunftsland) lassen jedoch befürchten, dass – wie mit ähnlichen Vorhaben und Projekten aus Brüssel – durch Zusatzaufwand aber nicht automatisch auch ein Zusatznutzen entsteht. Im Gegenteil: Vielmehr ist zu befürchten, dass der Zertifizierungswahn möglicherweise seine Fortsetzung findet und der Hersteller über kostenpflichtige Zertifikate, deren Kosten natürlich an den Käufer weitergegeben werden, die Herkunftsbezeichnung nachzuweisen hat.

Was heißt das nun für den Uhrenbau?

Die wesentlichen Bestandteile/Komponenten einer Uhr sind:

  • Armband
  • Gehäuse mit Bedienelementen, Glas und Dichtungen
  • Zifferblatt
  • Zeiger
  • Uhrwerk

Darüber hinaus fallen mehr oder weniger hohe Kosten an für:

  • Entwicklung
  • Design
  • Logistik
  • Montage
  • Service
  • Rückstellungen für Garantieleistungen
  • Marketing
  • Administration

Diese Kosten werden in aller Regel auf den Teilepreis umgelegt, sind damit Bestandteil der Herstellkosten und werden somit auch Teil der Wertschöpfung.

Für den Kunden ist es unerheblich und in einer arbeitsteiligen, globalisierten Wertschöpfungskette meist auch nicht nachprüfbar, welche Komponente wo gefertigt und welche Leistung wo und gegebenenfalls durch wen erbracht wird. Wesentlich ist vielmehr die Erwartung, mit einem Produkt „Made in Germany“ unbedingte Qualität und Zuverlässigkeit zu erhalten und vor allem auch die Sicherheit, noch nach Jahren des Gebrauchs, im Falle des Falles, problemlos mit Ersatzteilen versorgt zu werden.

Das heißt nichts anderes, der in Deutschland ansässige Hersteller stellt in vollem Umfang die formulierten hohen Erwartungen sicher. Damit das so sein kann, muss der Hersteller in aller Regel am Anfang und am Ende der Wertschöpfungskette selbst Hand anlegen. Die Entwicklung, das Design und die Endmontage sowie eine umfassende Qualitätskontrolle müssen somit unter der Verantwortung des Herstellers in Deutschland erfolgen. Ob die oben genannten Uhrenkomponenten selbst hergestellt, vom Hersteller weiter modifiziert und veredelt, oder von entsprechend qualifizierten und den hohen Erwartungen entsprechenden Zulieferanten zugekauft werden, scheint uns dabei eher von geringerer Bedeutung.

Von einem weniger erfahrenen Hersteller eine Uhr mit einem Uhrwerk aus eigener Entwicklung und Herstellung (Manufaktur) zu erwerben, muss nicht zwangsläufig bessere Qualität bedeuten als von einem Hersteller, der seine Werke von anerkannten Spezialisten bezieht. Der darf sich dann zwar nicht Manufaktur nennen, aber weshalb soll die Uhr nicht das Gütesiegel „Made in Germany“ tragen dürfen, nur weil das Werk von einem Zulieferer aus der Schweiz, Russland oder aus Fernost stammt. Gleiches gilt selbstverständlich auch für alle anderen Komponenten einer Uhr.

Die eigene Wertschöpfung künstlich in die Höhe treiben, indem bereits vormontierte und einregulierte Werke wieder zerlegt, in verschiedener Weise veredelt, um dann anschließend wieder zusammengebaut zu werden, lässt einige Fragezeichen aufkommen. Das Werk wird dadurch vielleicht optisch ansprechender und wirkt wertiger, ob es dadurch auch besser wird, ist eine Frage, die nicht pauschal beantwortet werden kann. In jedem Fall wird die Uhr für den Kunden dadurch erheblich teurer.

Insofern plädieren wir dafür, das Thema, pragmatisch anzugehen und nicht zu versuchen, wieder einmal mehr mittels zusätzlicher Regularien zu lösen. Im Fokus jeglicher Art von Festlegung sollte dabei primär die Eigenverantwortung und Selbstverpflichtung des Herstellers in Sachen kompromißloser Produktqualität stehen und weniger welche Handgriffe wo und durch wen erfolgt sind.

Verfasser:

Dipl.-Ing. (FH) Patrick Weigert, Geschäftsführer der CONIUX Unternehmensberatungsgesellschaft mbH

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