Unterwegs im Uhren Mekka: Das Vallée de Joux und der Schweizer Jura

Nachdem sich das Deutsche Uhrenportal zum Ziel gesetzt hat, vorwiegend die in Deutschland ansässigen und produzierenden Hersteller von hochwertigen Uhren zum Gegenstand seiner Reportagen zu machen, ist es uns auch ein Anliegen, den Kontakt zu unseren eidgenössischen Nachbarn zu pflegen, kommen doch meist von hier wichtige Bauteile oder Komponenten für hierzulande konzipierte und montierte Uhren, unterschiedlichster Ausführung und Kategorie. Der ein oder andere deutsche Hersteller ist dabei ja ohnehin Mitglied eines Schweizer Uhrenkonzerns.

So machten wir uns Anfang März 2013 auf den Weg nach Genf, um – nachdem wir dort den Genfer Automobilsalon besucht hatten – über den Schweizer Jura, im Grenzgebiet zu Frankreich, wieder zurück in die Heimat zu fahren.

Im Bild: Das Wahrzeichen von Genf; die über 100m hohe Wasserfontäne

Bei einem Rundgang durch die gepflegte Altstadt wird sehr schnell klar: Genf ist noch immer die Stadt der Diplomaten, der Industriellen und der Superreichen.

Und natürlich die Stadt von weltbekannten Uhrenherstellern.

Im Bild: Das Haus von Patek Philippe an der Rue du Rhône

Unweit davon entfernt: Vacheron Constantin

Unser Interesse galt aber auch den vielen Auslagen in den zahlreichen exklusiven Geschäften. Hier im Bild die Auslage bei Les Ambassadeurs mit den exklusivsten Kreationen Schweizer Uhrmacherkunst.

Im Bild: Die Präsentation eines limitierten Sondermodells der berühmten Omega Speedmaster.

Schmuckuhren mit Brillantbesatz von Breguet. Hier stockte uns regelrecht der Atem.

Auch Piaget, bekannt für extravagante Schmuckuhren, führt hier einiges ins Feld. Vermutlich primär für jene Superreichen dieser Welt gedacht, die schon alles haben.

Uhren aus Deutschland: Glashütte Original und an anderer Stelle auch A.Lange&Söhne. Alles andere spielt in Genf keine Rolle und ist auch nirgendwo zu finden. Vielleicht in einer kleinen Seitengasse, die kaum einer kennt und betritt. Jetzt wird einmal mehr klar, wo die Musik spielt und vor allem auch wer sie spielt.

Nach den in Genf gewonnenen Eindrücken, fahren wir Richtung Nord-Osten in das Vallée de Joux, das berühmte Tal der Uhrmacher, tief im Schweizer Jura, direkt an der französischen Grenze.

Hier ist Anfang März noch tiefster Winter, von Frühling keine Spur. Das Vallée de Joux ist ein völlig abgeschlossenes Hochtal im Schweizer Jura und liegt auf rund 1000 m ü. M.

Infolge des rauen Klimas wurde im diesem Hochtal stets extensive Landwirtschaft und Fischfang betrieben. Schon im 15. Jahrhundert suchten sich die Talbewohner neue Verdienstmöglichkeiten, indem man die ausgedehnten Wälder nutzte und seit dem 16. Jahrhundert Holz exportierte. Es entstanden erste Schmiede- und Hammerwerke und Sägereien. Besonders in Les Charbonnières wurde Holzkohle gebrannt, die ab dem 18. Jahrhundert nach Vallorbe gebracht wurde, um die dortige Industrie zu versorgen.

Neben der metallverarbeitenden Industrie erlebte ab dem 18. Jahrhundert vor allem die Uhrenindustrie eine Blütezeit. Die lange Winterzeit zwang die Bewohner, sich um andere Tätigkeiten zu bemühen. So wurde die Uhrmacherei anfangs hauptsächlich in Heimarbeit verrichtet; später entstanden um den malerisch gelegenen See – dem Lac de Joux – zahreiche Uhrenfabriken.

Im Bild: der an der Nordspitze des Sees gelegene Ort Le Pont

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich auch der Abbau von Eis im Lac de Joux zu einem wichtigen Geschäft. Auf Initiative der Compagnie des glacières des lacs de Joux et Brenet geht der Bau der Eisenbahn von Vallorbe nach Le Pont zurück. Damit konnten die Produkte aus dem Tal leichter wegtransportiert werden, und das Vallée de Joux wurde an das nationale Verkehrsnetz angeschlossen.

Heute haben sich die diversen Unternehmen im Vallée de Joux auf die Mikrotechnik und den Bau feinster Uhren spezialisiert. Von großer Bedeutung sind auch hochspezialisierte Zulieferbetriebe für die Uhrenindustrie.

Breguet, einer der ganz feinen Uhrenmarken aus dem Vallée de Joux empfängt den Besucher mit einem nicht unbescheidenen Auftritt. „Ici bat le cœur de la Haute Horlogerie“. Zu deutsch: „Hier schlägt das Herz der hohen Schule der Uhrmacherkunst“.

Das alte Gebäude von Breguet, welches ich vor gut 20 Jahren schon in dieser Form besuchte.

Hier das unweit davon gelegene, neue und eindrucksvoll gestaltete Produktionsgebäude mit lichtdurchfluteten Räumen, direkt am See.

Um uns einen möglichst kompakten Überblick über die Geschehnisse und Veränderungen im Vallée de Joux über die Zeit zu verschaffen, statten wir dem Uhrenmuseum in Le Sentier, untergebracht im ehemaligen  LeCoultre Gebäude, einen ausführlichen Besuch ab.

Mit modernster Animationstechnik wird der interessierte Besucher an das Thema Uhr und Uhrmacherei herangeführt. Absolut vorbildlich aufbereitet, insbesondere um auch den jungen Nachwuchs für das Thema zu begeistern.

Im Bild: Ein legendäres Modell der deutschen Marke Chronoswiss, gefertigt von einem der zahlreichen Spezialbetriebe im Tal der Uhrmacher. Einmal mehr wird deutlich, dass der anspruchsvolle deutsche Uhrenbau, ohne die Kompetenz und die Zulieferungen aus dem Schweizer Jura schlicht und einfach nicht existent wäre.

Im Bild: Ein bis zur Unkenntlichkeit modifiziertes ETA/Valjoux 7750. Aus einem bewährten Großserienkaliber wird so ein Uhrwerk der feinen Art. In dieser oder ähnlichen Form tickt es dann in High End Uhren des ein oder anderen Schweizer Premiumherstellers.

Im Bild: Eine filigran gestaltete Skelett Taschenschmuckuhr von Audemars Piguet.

Der Text spricht für sich.

Im Bild: Das alte Gebäude von Audemars Piguet. Dort wo vieles begann. Im näheren Umkreis findet der kundige Besucher zahlreiche moderne Erweiterungsbauten einer der weltweit wertvollsten und begehrenswertesten Marken.

Die Royal Oak von AP schreibt Geschichte; seit nunmehr rund 40 Jahren nahezu unverändert in Produktion. Eine Story für sich. Kennen Sie vergleichbare Produkte?

Vor gut 20 Jahren war ich schon einmal hier im kleinen Bauernhaus in Le Brassus, in dem Jean Claude Biver, der heutige Chef von Hublot, die feine Marke Blancpain wiederbelebt hat.

Die Erweiterung von Blancpain in Le Sentier, gut 20 Jahre später. Jetzt untergebracht im ehemaligen Gebäudekomplex von Nivarox, dem bekannten und wichtigsten Hersteller von Unruhspiralen. Eine respektable Expansion!

Ein weiteres Highlight: Jaeger LeCoultre, die Uhrenmanufaktur schlechthin. Es gibt weltweit wohl kaum einen zweiten Hersteller, mit vergleichbarer Fertigungstiefe, bei einem derart breiten Produktspektrum.

Im Bild der moderne Erweiterungsbau.

Die Atmos von Jaeger LeCoultre. Sie wird alleine von natürlichen Temperaturschwankungen angetrieben und ist praktisch wartungsfrei.

Die Uhr wurde von dem Schweizer Ingenieur Jean-Léon Reutter um 1928 erfunden. Die ersten Entwürfe arbeiteten noch mit der Ausdehnung einer Quecksilbersäule. In den 1930er Jahren übernahm die Uhrenmanufaktur Jaeger-LeCoultre den Entwurf, patentierte die Uhr und baut sie seitdem in Serie. Da hat die Energiewende schon sehr stattgefunden.

Gerald Genta, der geniale Schweizer Uhrendesigner, der in den 70er Jahren nicht nur die Royal Oak von AP entworfen hat, sondern auch die Nautilus von Patek Philippe und nicht zuletzt die legendäre Ingenieur Ref. 1832 von IWC Schaffhausen.

Der Weg führt uns weiter durch das malerische und noch tief winterliche Gebiet des Schweizer Jura nach Le Locle.

Le Locle, die Stadt der Präzision

Unweit vom Ortseingang, aus Richtung Süden kommend, die Erinnerung an den Sprung von Felix Baumgartner aus der Stratosphäre, mit einem Zenith Chronografen am Handgelenk, ausgestattet mit dem berühmten El Primero Kaliber.

Im Bild: Das Firmengebäude von Zenith

Weiter oben am Hang das Werksgelände von Tissot, einer der traditionellen Schweizer Marken, mit einem nach wie vor exzellenten Preis-Leistungsverhältnis.

Gleich gegenüber die Uhrenmanufaktur von Montres Mont Blanc, stilvoll untergebracht in einer historischen Villa.

Und daneben Vulcain, einer der wenigen konzernunabhängigen Schweizer Uhrenhersteller. Dahinter verbirgt sich allerdings ebenfalls ein Investor, die Centum Prata Gruppe, die sich im Besitz einer Familie aus Saudi Arabien befindet. Zur Gruppe gehören auch die Uhren- und Schmuckateliers von Les Ambassadeurs.

Wir verlassen Le Locle und fahren weiter in den Nachbarort La Chaux de Fonds und blicken auf die modernen Fabrikationshallen von Selitta, einem der wichtigsten Werkeproduzenten neben der ETA. Nachdem die zur Swatch Group gehörende ETA die Versorgung unabhängiger Hersteller mit mechanischen Uhrwerken immer weiter reduziert, geben sich bei Selitta auch zahlreiche deutsche Uhrenhersteller die Türklinke in die Hand, um von dort mit Werken vergleichbarer Qualität versorgt zu werden.

Im Bild: Breitling.

Im Industriegebiet von La Chaux de Fonds treffen wir nun auf eine ganze Reihe weiterer bekannter und legendärer Hersteller hochwertiger Uhren.

Im Bild: TAG Heuer

Im Bild: Das Gebäude von Jaquet Droz, eine der Luxusmarken der Swatch Group.

Im Bild: Patek Philippe, also nicht nur in Genf zu Hause.

Patek Philippe ist eine nach wie vor selbständige und in Familienbesitz befindliche Uhrenmanufaktur aus Genf in der Schweiz. Seit 2009 führt Thierry Stern offiziell in der vierten Generation der Familie Stern die Geschäfte der Manufaktur. Patek Philippe stellt neben den komplizierten Uhren seit 1977 auch eine der flachsten Automatik-Kaliber 240 mit nur 2,40 mm Bauhöhe her.

Das Markenzeichen der Uhren ist das Calatrava-Kreuz, jeweils auf der Aufzugskrone abgebildet und die Genfer Punze als Qualitätsnachweis, die nur ganz wenige der exklusivsten Uhrenmarken tragen dürfen. Patek Philippe ist unter den Uhrenmarken noch immer das, was Rolls Royce unter den Automobilen ist.

Wir beenden unsere Fahrt durch das Schweizer Uhrenmekka in Biel oder Bienne, genau am Übergang von der französischen in die deutsche Schweiz. In Biel befindet sich nicht nur die Schaltzentrale der Swatch Group, sondern auch die Werkeproduktion von Rolex.

Rolex macht, obwohl bekanntlich keine genauen Zahlen veröffentlicht werden, mit rund 7000 Mitarbeitern einen Umsatz von etwa 4 Mrd. Euro, bei 800.000 verkauften Uhren jährlich. Hier bedarf es eigentlich keiner weiteren Erläuterungen mehr.

In 2012 exportierte die Schweiz Uhren in einem Gesamtwert von rund 20 Mrd. Euro, das ist Faktor 10 gegenüber Deutschland.

Nach dieser aufschlussreichen Tour, die ich bereits vor gut 20 Jahren einmal durchführte, wird einmal mehr klar, mit welcher Finanzkraft die großen Schweizer Uhrenproduzenten sich fortentwickelt und ihre Marken gezielt auf- und ausgebaut haben. Auch in Glashütte wäre ohne Schweizer Know-How und Kapital heute vermutlich so manches anders.

So freuen wir uns über die anhaltend gute Nachfrage nach hochwertigen mechanischen Uhren, insbesondere aus Asien und Amerika und sind gespannt, wie die (Uhren-) Landschaft aussehen wird, wenn wir nicht erst wieder 20 Jahre warten, sondern die Tour –  sagen wir mal – in rund 5 Jahren wiederholen. Spannend wird sein, wie sich die Welt verändert und welchen Einfluss es auf den traditionellen Uhrenbau haben wird, wenn Apple demnächst mit der angekündigten iWatch die Bühne betritt

Der Autor:
Herr Dipl.-Ing. (FH) Patrick Weigert ist als Geschäftsführer einer Unternehmensberatungsgesellschaft überwiegend für deutsche Automobilhersteller und deren Zulieferer tätig und als begeisterter Uhrensammler und -Kenner auch Mitbegründer und Gesellschafter beim Deutschen Uhrenportal.

Quellenangabe: Erläuterungen und Hintergrundinformationen zu einzelnen Uhrenherstellern sowie der Historie zum Vallée de Joux recherchiert und teilweise entnommen aus Wikipedia.

1 Kommentar

  1. Guten Tag Frau Weigert und Herr Weigert,
    vielen Dank für die Zusenung Ihres „Reiseberichtes“. Wieder einmal eine Freude Ihre fundierten Berichte über die verschiedenen Uhrenmarken zu lesen.
    Freue mich auf den Bericht in 5 Jahren – bis dahin: Ihnen eine gute Zeit.
    Herzliche Grüße aus Pforzheim
    Rainer Astrath

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