Besichtigung der Uhrenmanufaktur Nautische Instrumente, Mühle Glashütte

Im August 2013 bekam das DEUTSCHE UHRENPORTAL die Gelegenheit die Uhrenmanufaktur Nautische Instrumente, Mühle in Glashütte, zu besichtigen.

Herr Hillenbrand, bei Mühle zuständig für den Bereich Kommunikation, empfing uns herzlich und gab uns gleich zu Beginn einen ausführlichen Einblick in die bewegte Firmengeschichte.

Das Unternehmen Mühle wurde im Jahr 1869 von Robert Mühle in Glashütte gegründet und befindet sich noch heute, 5 Generationen später, am gleichen Standort. Die Familie Mühle blickt auf eine über 140 Jahre dauernde, wechselvolle Geschichte zurück. Zunächst konzentrierte sich das Unternehmen Mühle auf die Herstellung von Präzisionsmessinstrumenten für die Glashütter Uhrenindustrie. Unter der Führung von Paul, Alfred und Max Mühle, den Söhnen von Robert Mühle, konnte das Unternehmen seinen Produktbereich erweitern. So wurden ab 1925 unter anderem Uhren für Automobile sowie Geschwindigkeits- und Drehzahlmesser bei „Robert Mühle & Sohn“ gefertigt. Diese kamen nicht nur in Autos der Marken Horch, Maybach und DKW zum Einsatz, auch BMW-Motorräder wurden mit Mühle-Tachometern ausgestattet.


Abb. des Motorrades: (C) Bonhams Auctioneers

Der Zweite Weltkrieg brachte einen tiefen Einschnitt in die Unternehmensgeschichte. Kurz vor dessen Ende wurde Glashütte von der sowjetischen Luftwaffe bombardiert, wobei auch große Teile der Firma Mühle zerstört wurden. Wie die meisten anderen Glashütter Unternehmen wurde der Familienbetrieb nach Kriegsende demontiert und enteignet. Denn die Tachometer und Autouhren von „Robert Mühle & Sohn“ kamen während des Krieges auch in Panzern der deutschen Wehrmacht zum Einsatz.

1951 wurden die verbliebenen Glashütter Uhrenfirmen in dem VEB Glashütter Uhrenbetriebe (GUB) zusammengefasst. Während die Namen der meisten Glashütter Unternehmen auf diese Weise verschwanden, blieb der Name „Mühle“ weiterhin mit dem Zentrum der deutschen Feinuhrmacherei und dem präzisen Messen verbunden. Hans Mühle gründete noch im Dezember 1945 ein neues Unternehmen, das die Herstellung von Messgeräten sowie Zeigerwerken für Druck- und Temperaturmessgeräte wieder aufnahm.

1972 wurde der Familienbetrieb ein zweites Mal zwangsverstaatlicht. Dabei wurde er zunächst in einen volkseigenen Betrieb umgewandelt und 1980 in den VEB Glashütter Uhrenbetriebe (GUB) eingegliedert. Hans-Jürgen Mühle blieb jedoch für den Betrieb tätig und stieg später zum Vertriebsleiter der GUB auf.

Die Wiedervereinigung Deutschlands ermöglichte ihm schließlich, das Unternehmen seiner Vorfahren wiederzubeleben. So gründete er 1994 die „Mühle-Glashütte GmbH Nautische Instrumente und Feinmechanik“. In den Jahren 1994 bis 1996 widmete man sich ganz dem Thema nautische Instrumente. Mühle fertigt professionelle Marinechronometer, Schiffsuhren und andere nautische Instrumente wie Baro- oder Hygrometer, welche auch heute noch ein bedeutsames Standbein des Unternehmens sind. Zwei Jahre später wurde das Produktportfolio auf mechanische Armbanduhren ausgedehnt, die rasch zum Hauptgeschäft des Unternehmens wurden.

Im Jahr 2005 kam es mit Nomos Glashütte jedoch zu einem Rechtsstreit darüber, ob die Arbeiten an den Uhrwerken der sogenannten „Glashütter-Regel“ (d.h. 50 Prozent der Wertschöpfung müssen in Glashütte erzielt werden) genügten. Der Rechtsstreit eskalierte und Mühle musste im Oktober 2007 Insolvenz anmelden.


Bild: Thilo Mühle

Im Oktober 2007 übernahm Thilo Mühle, der Sohn von Hans-Jürgen Mühle, die Geschäftsführung mit der schwierigen Aufgabe, das Unternehmen aus der Insolvenz zu führen. Der mit dem Insolvenzverwalter ausgearbeitete Plan zur Restrukturierung überzeugte, sodass das Insolvenzverfahren im März 2008 eingestellt wurde. Mühle konnte die Herkunftsbezeichnung „Glashütte“ weiterhin im Unternehmensnamen und auf den Zifferblättern der Zeitmesser führen.

Die Uhren der Firma Mühle haben eine technisch funktionelle Ausrichtung, ohne verspielte Details. Die Zeit soll auf den ersten Blick erkennbar sein, so wie man es von einem technischen Gerät erwartet, und so schließt sich auch der Kreis zum Jahr 1869 und zu den Anfangsprodukten, den Messinstrumenten.

Anfangs setzte Mühle in den Armbanduhren nur gering modifizierte Schweizer Werke ein. Nicht zuletzt angetrieben durch den Rechtsstreit mit Nomos entwickelte sich Mühle im Laufe der Zeit aber immer stärker zur Manufaktur.


Bild: Handaufzugskaliber MU 9412

Die von ETA bzw. Sellita zugekauften Werke, werden im Hause Mühle mit eigenen Rotoren, der patentierten Spechthalsfeinregulierung sowie in jüngster Zeit in stärkeren Umfang auch mit eigenen Platinen ausgestattet. So entstand auch das erste vollständig im eigenen Hause entwickelte Handaufzugskaliber MU 9412, wobei bewährte Konstruktionsmerkmale des Sellita SW 200 übernommen wurden.


Bild: Spechthalsfeinregulierung

Im Gegensatz zur Schwanenhalsfeinregulierung, bei der der Rückerzeiger in der Horizontalen spielfrei geführt wird, gelingt dies der Spechthalsregulierung auch in der Vertikalen. Der Vorteil liegt darin, das die Reglage selbst bei groben Stößen auf das Uhrwerk unverändert erhalten bleibt. Für Uhren aus dem Hause Mühle, die für härteste Beanspruchungen konzipiert sind, ist dies ein wichtiger Wettbewerbsvorteil.

Das eigens konstruierte Handaufzugskaliber MU 9411 (bzw. MU9412) wurde 2011 erstmalig der Öffentlichkeit präsentiert. Dieses Werk zeichnet sich unter anderem durch seine Gangreserve von 42 Stunden aus.


Bild: Platine des Chronographenwerks MU9408

Auch das bekannte Chronographenwerk ETA/Valjoux 7750 bzw. Sellita SW 500 wird von Mühle durch den Einbau einer Dreiviertelplatine stark modifiziert und trägt jetzt ebenfalls eine eigene Kaliberbezeichnung, MU9408.

Die Uhren aus dem Hause Mühle bewegen sich im Preissegment von knapp unter 1000 bis 3600 Euro.

Bei Mühle Glashütte sind rund 50 Mitarbeiter beschäftigt, wobei zwei Drittel davon in der Produktion tätig sind. Das Unternehmen bildet derzeit auch 2 Nachwuchskräfte zu Uhrmachern aus.
In der Designabteilung konnten wir uns einen Eindruck verschaffen, wie neue Produkte von der Idee bis zur Serienreife im eigenen Hause gestaltet werden.


Bild: CNC Bearbeitungszentren

Durch die stetige Erhöhung der Fertigungstiefe sind bei Mühle mehrere CNC Bearbeitungszentren aus dem Hause Kern im Einsatz. Auf den Maschinen fertigt Mühle wichtige Werkbestandteile, wie Rotore, Platinen, Brücken und Kloben in einer Genauigkeit von 1/1000 mm. Die Bearbeitung von filigranen Teilen aus Stahl mittels Drahterodieren erfolgt im Lohnauftrag außer Haus.

Die produzierten Teile werden vor der Weiterverarbeitung mittels einer modernen 3D Messmaschine auf eventuelle Abweichungen überprüft und erst dann zur Weiterbearbeitung freigegeben.


Bild: Nautische Instrumente

In jener Etage, in der sich die CNC Maschinen befinden, ist auch die Abteilung für die nautischen Instrumente untergebracht. Leiter dieser Abteilung ist interessanterweise ein umgeschulter ehemaliger Kapitän der Seefahrt.

Die nächsten Abteilungen, welche wir auf unserem Rundgang besuchten, befassen sich mit der Weiterverarbeitung der Werkekomponenten.

Schrauben werden beispielsweise im eigenen Hause gebläut und die Oberflächen der Platinen mit verschiedenen Schliffen versehen.


Bild: gebläute Schrauben

In der obersten Etage befinden sich die Remontage der Uhrwerke. Diese Abteilung wurde gerade modernisiert. Die Räume dort sind lichtdurchflutet, dabei sehr zweckmäßig gestaltet, bei größtmöglicher Anpassungsfähigkeit an die jeweilige Auftragslage.

Nach dem Einregulieren der Werke erfolgt das Einschalen. Gehäuse, Zifferblätter und Zeiger werden nach Mühle-Spezifikationen von qualifizierten Zulieferbetrieben bezogen.

Herr Hillenbrand verwies mit Stolz auf die nur geringen Lagerbestände; die Uhren finden nach ihrer Fertigstellung sehr schnell den Weg in den Handel und damit zum Endkunden.

Beim Abschlussgespräch gingen wir der Frage nach, welche Ziele das Haus Mühle in der näheren und auch ferneren Zukunft verfolgt.


Bild: Chronometer

Mit Spannung wird auf das Ergebnis des „Concours International de Chronometer“ gewartet, ob der eingereichte Chronometer MHC eine Auszeichnung erhält. Im Oktober 2013 erfahren wir mehr dazu.

Mit Blick nach vorne spricht Herr Hillenbrand die verstärkte Internationalisierung an. Deutschland ist für Mühle nach wie vor der Hauptabsatzmarkt. Jedoch beginnen mittlerweile die Bemühungen auf dem Nordamerikanischen Markt zu greifen, wo sich die Absatzzahlen im Vergleich zum Vorjahr bereits verdoppelt haben. Für Mühle ist das ein weiteres starkes Signal, auf dem richtigen Weg zu sein.

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