EU Kommission stellt kartellrechtliche Untersuchung zur Reparatur hochwertiger Uhren ein

Besitzer hochwertiger Uhren, und dies betrifft keineswegs nur mechanische Uhren im oberen Luxussegment beklagen seit geraumer Zeit, dass bei Aufwendungen für Wartung und Instandsetzung hochwertiger Zeitmesser in den letzten Jahren zum Teil ganz erhebliche Kostensprünge zu verzeichnen waren und immer noch sind.

Dies hängt vorrangig damit zusammen, das der Uhrmacher bzw. das Uhrenfachgeschäft vor Ort von vielen namhaften Herstellern keine Möglichkeiten mehr eingeräumt bekommt, Ersatzteile zu beziehen, um damit gängige Reparatur- oder Wartungsarbeiten in eigener Regie durchführen zu können. Zahlreiche Hersteller haben das Thema Wartung und Reparatur für sich entdeckt und daraus die Entscheidung abgeleitet, nur noch hauseigene Reparturzentren oder eigens vom Hersteller zertifizierte Fachbetriebe mit Ersatzteilen zu beliefern.

Uhren müssen deshalb zumeist eingeschickt werden, um selbst einfache Arbeiten, wie das Wechseln einer Dichtung vornehmen zu können. Da dies nicht nur ein Ärgernis für den Kunden darstellt, sondern auch dem Fachhandel und den vielen unabhängigen Uhrmachern große Einschränkungen auferlegt, hat die Europäische Konföderation unabhängiger Uhrmacher („Confédération Européenne des Associations d’Horlogers Réparateurs kurz CEAHR“) beim europäischen Gerichtshof bereits im Jahr 2004 Beschwerde eingelegt.

Mit der Veröffentlichung (Aktenzeichen AT.39097) vom 29.07.2014 beendet die EU-Kommission nun ihre Untersuchung über die Weigerung von mehreren Herstellern hochwertiger Luxusuhren, Ersatzteile an unabhängige Werkstätten zu liefern und kommt zu folgendem Ergebnis:

Nachfolgend die deutsche Übersetzung der Veröffentlichung:

Beschluss:

Die Europäische Kommission beendet ihre kartellrechtlichen Untersuchung über die Weigerung von mehreren Herstellern von hochwertigen Luxus-Uhren, hinsichtlich der Belieferung von unabhängigen Werkstätten und Uhrmachern mit Ersatzteilen, zum Zwecke der Durchführung von Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten an eben solchen Luxusuhren, in mehreren Mitgliedstaaten (insbesondere Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien und Großbritannien).

Die Untersuchung betrifft Uhren, welche über einen Wert verfügen, der eine Reparatur bzw. Instandhaltung für gewöhnlich rechtfertigt, mithin hat sich die Kommission auf Uhren und Hersteller konzentriert, die oberhalb eines bestimmten Verkaufspreises liegen.

Die Kommission untersuchte aufgrund einer Klage der Europäischen Konföderation unabhängiger Uhrmacher („Confédération Européenne des Associations d’Horlogers Réparateurs kurz CEAHR“), ob die Einstellung der Lieferungen von Ersatzteilen durch Luxusuhrenhersteller an unabhängige Werkstätten und Uhrmacher (z.B. Werkstätten, die nicht zum Kreis der vom Hersteller zertifizierten und akkreditierten Reparaturbetriebe zählen) einen Verstoß gegen gültiges EU-Wettbewerbsrecht darstellt und zwar in Bezug auf Absprachen oder den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung. (Siehe dazu auch Artikel 101 und 102 des Vertrags über die Zusammenarbeit innerhalb der EU). Nach einer umfassenden Untersuchung hat die Kommission festgestellt, dass es im vorliegenden Fall jedoch mit einer nur geringen Eintrittswahrscheinlichkeit zu solchen Verstößen kommt.

Die Kommission hat daher mit Wirkung vom 29.07.2014 den Beschluss gefasst, die kartellrechtlichen Untersuchungen einzustellen.

Im Einzelnen:

Im Jahr 2004 hat Europäischen Konföderation unabhängiger Uhrmacher („Confédération Européenne des Associations d’Horlogers Réparateurs kurz CEAHR“), eine Klage eingereicht, unter der Behauptung, dass Hersteller von Luxusuhren gegen EU-Wettbewerbsrecht verstoßen würden. Nach Angaben des Beschwerdeführers, begannen die betreffenden Hersteller damit, sich seit 2002 in wettbewerbswidriger Art und Weise gegen unabhängige Werkstätten abzuschotten.
Am 10. Juli 2008 beschloss die Kommission zunächst, diese Beschwerde mangels ausreichenden öffentlichen Interesses zurückzuweisen. Nach Auffassung der Kommission, handelte es sich

  • um einen eng begrenzten Sektor, mit vergleichsweise geringer wirtschaftlicher Bedeutung und
  • die nationalen Behörden und Gerichte wären ausreichend gut aufgestellt, den Fall zu untersuchen, und
  • die Wahrscheinlichkeit, dass es sich tatsächlich um eine Zuwiderhandlung gegen EU-Wettbewerbsrecht handle, eher als gering einzustufen wäre.

Im Dezember 2010 wurde der Beschluss der Kommission zur Ablehnung der CEAHR Beschwerde von Gerichts wegen jedoch für nichtig erklärt. Nach Auffassung des Gerichts wurden seitens der eingesetzten Kommission Fehler bei der Aufarbeitung begangen, was zu einer nicht ausreichend belastbaren Schlussfolgerung führte.

Am 1. August 2011 hat die Kommission daher beschlossen, ein formales Kartellverfahren zu eröffnen, um die Vorwürfe weiter zu untersuchen und damit der Forderung des Obersten Gerichts nachzukommen. Während der neuerlichen Untersuchung wurden diese Vorgaben durch die Kommission in vollem Umfang berücksichtigt.

 

Unsere Einschätzung und Kommentierung :

Nachdem sich die zuständigen Institutionen der EU nun über einen Zeitraum von sage und schreibe 10 Jahren mit den beklagten Vorgängen auseinandergesetzt haben, ist das einseitige Verhalten der Luxusgüterkonzerne im Grundsatz bestätigt, weil nicht unterbunden worden.

Das heißt nichts anderes, als dass der, der auch künftig seine hochwertige Uhr regelmäßig warten und pflegen lassen möchte und dazu spezielle Ersatzteile benötigt, auf den herstellereigenen Service angewiesen ist. Die zumeist verlangten Premiumpreise sind dann mangels Wettbewerb eben zu entrichten. Da könnte das wertvolle und geliebte Schätzchen irgendwann zur unattraktiven Kostenfalle werden. Das stört die EU Kommissare aber offensichtlich nicht weiter. Damit erfüllen sich auch die Hoffnungen, die zuletzt im Jahr 2013 in einem Artikel der Wirtschaftswoche zum Thema „Reparaturen bei Luxusuhren“ geäußert wurden, wohl eher nicht.

Der sich in der Branche insgesamt verschärfende Wettbewerb lässt zu diesem Punkt aber auch Spielraum für Phantasie. So wie die koreanischen Automobilhersteller Hyundai und Kia mit 5- bzw. 7-jähriger Garantie den Kunden anwerben und damit ihren Markterfolg nachhaltig und nachweislich kräftig steigern konnten, könnte der ein oder andere konzernunabhängige Hersteller feiner Uhren das Thema in dieser oder ähnlicher Form ebenfalls für sich entdecken und kundenwirksam vermarkten.

 

Der englische Originaltext ist nachfolgend beigefügt:

Case AT.39097 – Watch Repair: decision rejecting a complaint pursuant to Article 7(2) of Regulation 773/2004

Commission WEB STATEMENT dated 29.07.2014:

Commission closes its investigation into the refusal by several manufacturers of prestige/luxury watches to supply spare parts to independent repairers

The European Commission has closed its antitrust investigation in the sectors of the supply of spare parts and the provision of repair and maintenance services for luxury/prestige watches in several member states (notably France, Germany, Italy, Spain and the UK).

The investigation concerned watches which are typically worth repairing and maintaining (in that regard, the Commission focused on watches sold above a certain retail price). The Commission investigated, further to a complaint by the European Confederation of Watch and Clock Repairers’ Association (“CEAHR”), whether the discontinuance of the supplies of spare parts by prestige watch manufacturers to independent watch repairers (i.e. repairers that do not belong to their respective official networks for repair and maintenance services) may constitute an infringement of EU competition rules on restrictive agreements and abuse of a dominant position (Articles 101 and 102 of the Treaty on the Functioning of the EU, respectively). Following a comprehensive investigation, the Commission has concluded that there is limited likelihood of finding such an infringement in the present case.

The Commission has accordingly decided to close its antitrust probe.

Background

In 2004, the European Confederation of Watch and Clock Repairers’ Association (“CEAHR”) lodged a complaint, alleging that manufacturers of prestige/luxury watches infringed EU competition law. According to the complainant, since 2002, watch manufacturers engaged into anticompetitive practices that threatened to foreclose independent repairers.

On 10 July 2008, the Commission decided to reject this complaint for lack of community interest. The Commission considered that it concerned a sector of limited economic importance, that national authorities and Courts were well placed to investigate the case and that the likelihood of finding an infringement of the EU antitrust rules appeared limited.

In December 2010, the General Court annulled the Commission’s decision to reject CEAHR’s complaint, ruling that the Commission had committed errors of assessment and insufficiently motivated some of its conclusions.

On 1 August 2011, the Commission decided to open formal antitrust proceedings in order to further investigate the allegations and take account of the General Court’s judgment. The Commission has fully taken into account this judgment during its new investigation of the complaint.

Quelle/Source: European Commission for Competition

 

Der Verfasser:
Herr Dipl.-Ing. (FH) Patrick Weigert ist als Geschäftsführer einer Unternehmensberatungsgesellschaft überwiegend für die deutsche Automobilindustrie tätig und beobachtet und analysiert als Mitbegründer und Gesellschafter beim Deutschen Uhrenportal auch die Entwicklungen auf dem Sektor hochwertiger mechanische Uhren.

2 Kommentare

  1. Hallo Herr Wötzel,

    vielen Dank für Ihre Nachricht und Fragestellung!

    Es ist leider so, dass durch die Einstellung des kartellrechtlichen Verfahrens durch die EU-Kommission, die prinzipielle Möglichkeit, juristisch gegen die Strategie der Hersteller vorzugehen, nicht mehr gegeben ist. Wir selbst haben bei den deutschen Kartellbehörden zum Thema nochmals nachgefasst und einen ebenfalls negativen Bescheid erhalten.

    Als Begründung wurde auch bei unserer Anfrage angeführt, dass dieser Sachverhalt

    a) nicht von allgemeinem Interesse sei und
    b) angezweifelt werden müsse, dass tatsächlich ein für den Endverbraucher signifikanter Schaden entsteht.

    Das sind die Fakten. Diese zu bewerten, steht nun jedem einzelnen zu. Wir halten das für problematisch, sind aber völlig machtlos.

    Einzig die Verbände können und müssten hier abermals tätig werden.

    MfG
    P.Weigert

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