Besuch der Inhorgenta Munich 2015

Die Inhorgenta 2015, eine Traditionsmesse seit über 40 Jahren, stand dieses Jahr unter keinem so guten Stern. Rund 80 Aussteller weniger als im vergangenen Jahr, und damit die Verdichtung auf nunmehr 6, wie statt bisher 7 Hallen, sind ein klarer Fingerzeig.

Dass zwei der ganz großen und bislang treuen Aussteller, Fossil und die Festina Group nicht mehr dabei sind, gibt ja schon genug Anlass zu Diskussionen und Spekulationen, dass Festina aber nun stattdessen unweit der Messe, im Novotel am Willy-Brandt-Platz, im gleichen Zeitraum zu einer Parallelveranstaltung einlädt, lässt schon sehr tief blicken. Wie sagt man bei uns in Bayern so schön: „Da ist der Wurm drin“.

Und der Wurm war dann wohl auch „drin“, und zwar trotz angeblich insgesamt gutem Konsumklima und guter Umsätze. Zumindest kommt an dieser Stelle nicht soviel davon an. Nicht nur dass die Zahl der Aussteller rückläufig ist, auch die von uns gefühlte Zahl der Besucher war es. An den ersten beiden Messetagen waren die Gänge nicht besonders gut frequentiert, besser sah es erst am Sonntag aus. Da zeigte sich ein, wie aus den Vorjahren, gewohnter Anblick.

Woran mag das liegen? Schwer zu sagen. Aber es scheint alles eine gewisse Sättigung erreicht zu haben. Der Aussteller, wie auch der Besucher, obgleich die Messeleitung von einem noch insgesamt guten Ergebnis spricht. Berauschend ist das aber bei weitem nicht.
Schon eher die jungen Damen, die als Models zur Präsentation aktueller Schmuck-Kollektionen aufwarteten.

Die Designs ändern sich zwar und folgen dem Zeitgeist. Der Trend zu Hochwertigerem hält an und hilft, die Umsätze einigermaßen stabil zu halten. Billige Plastikartikel sind out.

Aber wirklich Neues gab´s dann doch nicht so viel; alles vielleicht ein wenig bunter und farbenfroher. Das Konsumverhalten ist aber auch makroskopisch betrachtet, Veränderungen unterworfen.

Schon eher wurde Bekanntes nun auch an anderer Stelle gesichtet. Die Lust des Kopierens scheint nicht nur mehr eine Untat der Asiaten zu sein, wenngleich es diese Kollegen nunmehr auf die Spitze treiben, wie das Beispiel Junghans zeigt.

Hier wird vom größten chinesischen Uhren- und Uhrwerkehersteller Sea-Gull die Junghans Meister eins zu eins kopiert und zwar ohne Einschränkung, lediglich, dass statt „Junghans“ nun „Sea-Gull“ auf dem Zifferblatt steht und das „Made in Germany“ dem „China Made“ weichen musste,ansonsten eineiige Zwillinge.

Ob hier auf den Rechtsweg das Einreichen einer Unterlassungsklage von Erfolg begleitet ist, darf aber stark bezweifelt werden, möglicherweise überwiegen dann sogar die Nachteile. Der Chinese versteht es ja immer noch als Kompliment, wenn er Gutes nachmacht und ist sich damit zumindest vordergründig keiner wirklichen Schuld bewusst. So unterschiedlich sind die Kulturen und mithin auch die Rechtsauffassung.

Bleiben wir gleich bei Junghans. Entgegen dem Trend konnte Junghans den Umsatz in 2014 gegenüber dem Vorjahr deutlich steigern, das ist jedoch hauptsächlich den intensiven Aktivitäten in Fernost geschuldet und hier allen voran, Japan und China. Der heimische Markt verhielt sich hingegen weitgehend stabil, obgleich auch hier punktuelle Verbesserung verbucht werden konnten.


max bill Damen

Die Neuerungen bei Junghans konzentrieren sich im wesentlichen auf den Ausbau und die Verfeinerung der Produktlinien Max-Bill und Meister. Eine neue, sehr angenehme Farbgebung des Zifferblattes und exakt darauf abgestimmte Farbmuster der Lederbänder führen zu einem insgesamt nochmals wertigeren Erscheinungsbild.


Meister Handaufzug

In Bezug auf Uhrwerke geht Junghans bewusst nur kleine Schritte und entwickelt zumindest aktuell keine Ambitionen in Richtung Manufakturkaliber. Sehr wohl hat Junghans über die Kern-Liebers Gruppe direkten Zugang zur wichtigen Spiralfedertechnologie.

Meister Agenda

POINTtec, mit den Marken „Junkers“ und „Zeppelin“, hat unter Lizenz zusätzlich nun auch die Marke „Rosenthal“ im Programm. Rosenthal Uhren werden mit Zifferblätter aus echtem Porzellan „Made by Rosenthal“ bestückt.

Einem sehr aufwendigen und diffizilen Herstellungsprozess folgt ein mindestens ebenso anspruchsvoller Einschaltungsprozess. Die unvermeidlichen Toleranzen in der Dicke des Materials müssen durch entsprechend angepasste Distanzplättchen exakt ausgeglichen werden, um das empfindliche Porzellan keinen hohen Kräften und Belastungen auszusetzen, die unweigerlich zum Bruch führen würden.

Neu bei POINTtec auch die Uhrenserie „Eisvogel“. Diese erinnert an den ersten Überflug des 82. Breitengrades im Jahr 1923 durch den Piloten Arthur Neumann und den Fotograf Walter Mittelholzer mit einer Junkers F13.


Eisvogel

Nachdem sich die Versorgung mit mechanischen Uhrwerken aus dem Hause ETA bekanntermaßen zunehmend schwieriger gestaltet, sich zudem noch die Preise permanent nach oben bewegen, ist nahezu jeder Hersteller gezwungen, sich nach Alternativen umzusehen. Der ein oder andere folgt dem stereotypen Ruf einiger Fachjournalisten nach Manufakturkalibern und begibt sich damit unter Umständen in ein finanzielles Abenteuer. Einige andere, so auch die Firma POINtec, gehen – auch zum Wohle des Kunden – konsequent ihren eigenen Weg und kaufen ausgereifte und damit zuverlässige Großserienkaliber von renommierten Herstellern zu. Neben ETA gibt es nun mehrere Alternativen. Selitta als Anbieter von ETA-Klons, oder Dubois-Depraz, ausgestattet mit der Kompetenz, Standard-Kaliber mit Modulaufbauten zu versehen, um Zusatzkomplikationen darzustellen. Citizen oder Soprod, auch hier wird man fündig und mit guter bis sehr guter Qualität versorgt.


Automatikchronograph mit doppelter Tachymeter Skala aus der 100 Jahre Zeppelin Jubiläumsserie

Erstmals auf der Inhorgenta 2015 stellt die International Luxury Partners (ILP) aus, u.a. vertreten mit den Marken Ebel, Louis Erard und Christiaan van der Klaauw.

Ebel entdeckt seine alten Designtugenden wieder neu und bringt jetzt dem neuen, alten Trend folgend, wieder sehr gut gelungene Bicolor-Modelle, mit dem berühmten Wave Band, an den Start.

Ebenfalls neu auf der Inhorgenta und dabei sehr interessant, der kleine französische Hersteller Pequignet aus Morteau.

Pequignet verbindet feines, ja z.T. filigranes, französisches Design mit zuverlässiger Großserientechnik aus dem Hause Seiko zu erfrischend kompetitiven Preisen.

Beim Spitzenmodell „Royal“ kommt hingegen das hauseigene, schön anzusehende und gleichnamige Manufakturkaliber „Calibre Royal“ zum Einsatz.

Die Zusatzkomplikationen wie Gangreserveanzeige, Großdatum und Mondphase verleihen der Uhr den zeitgemäßen Chic und Charm.

Ein Thema ganz anderer Art ist dieses Jahr klar und zielgerichtet auf der Inhorgenta angekommen und wurde in angemessener Weise aufbereitet und in diversen Seminar- und Diskussionsforen ausführlich behandelt: Die „SMARTWATCH“ im Besonderen und die „Wearables“ als neue Produktgruppe im Allgemeinen.

Wir, das Deutsche Uhrenportal beobachten die Entwicklungen zu diesem Thema mit stetig ansteigender Wachsamkeit seit nunmehr drei Jahren. Wir haben uns immer wieder gewundert, mit welcher Gelassenheit, teilweise auch Ignoranz und schlimmer noch, streckenweise sogar Arroganz der ein oder andere Verantwortliche, angesprochen auf dieses Thema, reagierte. Heute, angekommen im Jahr 2015, nach der Vorstellung einer Unzahl von Modellen und einer immer größer werdenden Zahl von Anbietern auf der CES in Las Vegas und der unmittelbar bevorstehenden Markteinführung der Apple-Watch, weht diesen Herren nun ein ganz anderer, zunehmend frostiger und böiger Wind um die Ohren. Und die ersten rudern bereits reumütig zurück.

In naher Zukunft werden sich immer weniger potenzielle Uhrenkäufer dafür interessieren, wer wann welches Manufakturkaliber auf den Markt bringt, sondern wann wer und vor allem in welcher Form und mit welcher Performance Intelligenz in seine Uhren zu integrieren vermag. Das ist die Zukunft, alles andere ist Vergangenheit.

„Bluetooth 4.0“ heißt das neue Zauberwort und hier gilt es, die Bedürfnisse des Kunden ganz genau zu analysieren und maßgeschneiderte Produkte zu lancieren, will man am Ende nicht zu den zahlreichen Losern zählen und am Bahnsteig zurück bleiben, wenn der voll besetzte Zug ohne einen abfährt. Beispiele aus der Vergangenheit hierzu gibt es ja genug. Die nun im Kampf ums Handgelenk mitspielende IT-Branche kennt keine Gnade. Und wer tatsächlich glaubt, der Kunde würde dann einfach zwei Produkte tragen, links die traditionelle mechanische Uhr und rechts das elektronische Gadget, der träumt einen ziemlich gefährlichen Traum. Da wird selbst so manche Rolex auf Dauer im Safe verschwinden.

Aber auch hier gilt, schiere Größe ist längst nicht alles, selbst wenn Apple und Google als Plattform und Samsung als Gerätehersteller und Big-Player am Markt zum Angriff blasen und derzeit die Windrichtung vorgeben, am Ende des Tages gilt immer noch: „Nicht die Großen fressen die Kleinen, sondern die Schnellen die Langsamen“.

Die Verantwortlichen der Messeleitung haben dies verstanden und sind dabei, die Messe, ihre Aussteller und Besucher auf diese neuen Herausforderungen einzustimmen. Erschreckend jedoch, wie wenig Notiz der Fachhandel von diesem Thema noch nimmt. Ganz anders der Endverbraucher, die Zugriffe bei eBay auf Smartwatches sind ein sehr eindeutiges Indiz.


Withings Activité: Über eine komfortable und multifunktionale Smartphone App (dz. verfügbar nur für Apple iPhone) werden sowohl die Uhr wie auch alle Fitnessfunktionen gesteuert.

Will der Fachhandel das Thema ausschließlich den großen Elektronik- oder Online-Distributoren überlassen oder stellt er sich vielleicht auch einmal die Frage, wie er seine Umsätze verteidigen möchte, wenn denn, wie aus mehreren Quellen aktuell prognostiziert wird, in 2020 40% aller verkauften Uhren Intelligente Uhren sein werden. Das ist dann keine Evolution mehr, das ist eine Revolution, vergleichbar mit der Quartzkrise in den 80er Jahren. Die Wachstumsquoten in diesem Geschäftsfeld betragen hochgerechnet damit jährlich rund 70%. Da müssten eigentlich alle glänzende Augen bekommen, nur so mancher scheint bereits erstarrt zu sein.

Casio einer der Großen im Bereich der über den Fachhandel abgesetzten Uhren brachte mit der Edifice EQB-500 nun eine Connected Watch auf den Markt, die einen klaren Schritt in die richtige Richtung geht. Nämlich sich an jene Kunden wendet, die zwar nach mehr Intelligenz am Handgelenk Ausschau halten, gleichzeitig aber weiterhin das klassische Uhrendesign mit analogen, mechanischen Zeigern und aufwendig gestalteten Zifferblättern bevorzugen.

Bei aller Möglichkeit, die heute moderne hochauflösende Displays bereits bieten, jedermann Geschmack ist es sicher nicht, sofort ersichtlich einen Mini-Computer am Handgelenk zu tragen. Hier bietet Casio nun eine interessante Lösung.

Interessant auch der Weg, den Guess (leider nicht auf der Messe vertreten) beschreitet. Hier steht ganz klar die Fashion Uhr als Designelement im Vordergrund, jedoch wird in Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Smartwatch-Anbieter Martian, unter Einsatz von dessen Technologie, aus einem normalen Fashion-Artikel eben ein smarter Fashion-Artikel, eben die Guess Connect.

Guess Smartwatch

Und so etwas holt sich der Kunde wohl kaum bei Media-Markt oder Saturn. Dies wird klar zum Thema, wenn es gilt, dem Anspruch „Wearable meets Fashion“ nachzukommen und auf diesem Sektor werden die Damen der Schöpfung den Takt angeben. Swarovski und MISFIT (Hersteller von Fitnesstrackern) machen es der Branche ebenfalls vor, wie eine funktionierende Kooperation aussehen kann.

Das bedingt aber auch, dass das Personal hinter der Ladentheke jetzt eben auch mehr oder weniger plötzlich ein Mindestmaß an technischem Sachverstand mitbringen muss. Denn wenn die Kundin dann fragt, wie denn nun das Pairing ihrer neuen Swarovski Kette mit ihrem Smartphone funktioniert und zwar egal, ob iPhone oder Android und künftig vermutlich auch noch Windows, dann sollte das kein böhmisches Dorf sein, ansonsten wird’s peinlich.

Die Automobilindustrie hat diesen Wandel bereits hinter sich. Längst ist das Auto Smart und Connected. Zumindest in der Oberklasse ist das Standard und gehört zum guten Ton. Und dann sind ebensolche Fragestellungen an der Tagesordnung – der alteingesessene Automechaniker hat endgültig ausgedient. Der Mechatroniker der Gegenwart muss sich mit Diagnosegeräten und Software-Updates genauso auskennen, wie auch in der Lage sein, mit konventionellen Blech- oder Lackschäden richtig umzugehen. Längst ist die Zahl der Zylinder nicht mehr das Maß der Dinge; ganz andere Begrifflichkeiten wie Downsizing, Hybridisierung und Vernetzung sind hier die Schlagworte. „Tradition meets Innovation and Connectivity“.

Das ist aber auch gleichzeitig die große Chance für die Inhorgenta, die Flucht nach vorne zu ergreifen. München als High-Tech Standort ist ein internationaler Begriff. Die Messen Electronica und Productronica ziehen in jährlichem Wechsel haufenweise internationales Publikum in die Landeshauptstadt. Bezahlbare Hotels sind bereits Monate im Voraus ausgebucht; das wäre die Messlatte. Smarte Fashion Artikel und Wearables, Intelligent Watches und Gadgets aller Ausprägung – das Milliardengeschäft der Zukunft – könnte sich doch einmal jährlich in München treffen.

 

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2 Kommentare

  1. Wer sich als Einzelhändler auf der Inhorgenta für die Rubrik Smartwatches oder Wearables interessierte oder gar den Wunsch nach Aufnahme ins eigene Portfolio hegte musste, wie ich, leider unverrichteter Dinge wieder nach Hause fahren. Keiner der wichtigen Anbieter dieser Technik war auf der Münchner Messe vertreten und es gab auch keine Möglichkeit in Erfahrung zu bringen über welche Adressen ein Einzelhändler Kontakt zu den jeweiligen Vertriebsagenturen aufnhemen konnte. Insoweit ein netter Versuch der Messeleitung, der aber nicht konsequent zu Ende gedacht wurde.
    Aber vielleicht wollen die Hersteller ja auch gar nicht mit uns kleinen Einzelhändlern und unseren Mini-Stückzahlen zusammenarbeiten ? Media-Markt und Co. sind da eben doch interessanter, oder ?

    • Es ist vermutlich so, wie sie schreiben, jedoch sollten wir differenzieren. Die großen Elektronik-Konzerne haben sicher kein Interesse, mit dem Einzelhandel zusammen zu arbeiten. Hier geht es um riesige Stückzahlen und das erledigen die Großmärkte und Online-Händler. Hier wären dann die Verbände und der Großhandel gefragt, entsprechende Kontakte zu knüpfen und den Einzelhandel ggfs. zu versorgen. Ob man da preislich dann mitkommt, ist jedoch mehr als fraglich. Die andere Schiene wären die klassischen Uhrenhersteller, die dieses Thema – bis auf wenige Ausnahmen – aber völlig verschlafen haben. Allein Casio und Guess, in Kürze wohl auch Fossil, und wenn die vollmundigen Schweizer Hersteller auch irgendwann einmal etwas auf die Beine bringen – falls es dann nicht schon zu spät ist – haben Produkte, die für den Vertrieb über den Fachhandel konzipiert sind. Ansonsten kann der Fachhandel aber auch massiv Druck aufbauen, indem er die Ware, die eben nicht mehr so gut läuft, schlicht und einfach nicht mehr abnimmt, dann werden die Hersteller noch stärker gezwungen, kurzfristig etwas zu tun, wollen sie nicht völlig das Nachsehen haben. Denn sinkende Umsätze stehen keinem CEO gut zu Gesicht.

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