Das sächsische Städtchen Glashütte im Osterzgebirge gilt als deutsches Uhrenmekka schlechthin. Hier sitzen die bedeutendsten deutschen Hersteller von Luxusuhren, und der Name gilt weltweit als Inbegriff von Qualität. Aber wie kam es eigentlich dazu?
In dem kleinen Städtchen Glashütte, das nicht gerade verkehrsgünstig in Sachsen, an der Grenze zu Tschechien liegt, haben heute elf Uhrenmarken ihren Sitz. Einige davon entwickeln ihre Uhrwerke in Eigenregie und stellen auch fast alle Komponenten des Werks selbst her. Um die Herkunftsbezeichnung „Glashütte“ aufs Zifferblatt aufbringen zu dürfen, reicht es nicht aus, dort ansässig zu sein. Auch mindestens 50 Prozent der Wertschöpfung am Uhrwerk müssen vor Ort vorgenommen werden. Stammt das Rohwerk z.B. aus der Schweiz, muss also aufwendig verziert oder technisch modifiziert werden. Das ist einmalig in Deutschland.
Fährt man die Strecke von Dresden über Pirna der Müglitz entlang nach Glashütte, Richtung tschechische Grenze, so werden gewisse Erinnerungen an das Vallée de Joux, dem berühmten Tal der Uhrmacher, im Schweizer Jura, wach. Alles nur viel kleiner, überschaubarer, das Vallée de Joux im Kleinformat sozusagen. Dort, wo sich im Vallée de Joux, zig Uhrenfirmen und Zulieferbetriebe, fast Haustür an Haustür um den gleichnamigen See herum aufreihen, finden sich in Glashütte an der Zahl deutlich weniger, jedoch keineswegs weniger hochkarätige Uhrenproduzenten.
Kommt der Besucher heute nach Glashütte, so wird er am Ortseingang auf den Ortstafeln mit dem Motto begrüßt: „Hier lebt die Zeit“. Und in der Tat, Glashütte lebt von der Zeit. Die Uhrenmanufakturen beschäftigen heute insgesamt mehr als 1000 zum Teil hoch qualifizierte Mitarbeiter vom Werkzeugmacher bis zum hoch spezialisierten Uhrmachermeister. Der Ort beherbergte einst die Deutsche Uhrmacherschule und heute das Deutsche Uhrenmuseum, das im Mai 2008 seine Pforten öffnete.
Die Geschichte der Uhren aus Glashütte beginnt im Jahr 1845 als sich der Sachse Ferdinand Adolph Lange als erster Uhrmachermeister in Glashütte niederließ. Trotz erheblicher Anfangsschwierigkeiten wurde ab etwa 1875 die Uhren- und Feinmechanische Industrie zum wirtschaftlichen Rückgrat der Stadt.
Im Grunde wurden in Glashütte immer nur hochwertige Uhren gebaut. Eine richtige Industrialisierung und Massenproduktion mit Fließbändern fand aber auch zur Jahrhundertwende in Glashütte nicht statt. In Großserie produzierte Gebrauchsuhren kamen vielmehr aus dem Schwarzwald oder der Schweiz. Zudem zögerte man in Glashütte, die in Mode gekommenen Armbanduhren und dazu passende Werke zu konstruieren und zu bauen. Das waren sicher zwei Gründe, die nach dem Ersten Weltkrieg in der Weltwirtschaftskrise der Glashütter Uhrenwelt den Niedergang bescherten und einige Marken sterben ließen.
Neue Impulse kamen erst 1926 mit der Gründung der UROFA (Uhren-Rohwerke-Fabrik Glashütte AG) und der UFAG (Uhrenfabrik Glashütte AG) durch die Giro-Zentrale Sachsen. Dies ist der Beginn der modernen Ära der Armbanduhren aus Glashütte.
Doch am letzten Tag des Zweiten Weltkriegs (8. Mai 1945) wurde Glashütte von sowjetischen Fliegern bombardiert und schwer beschädigt. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden die Glashütter Uhrenhersteller enteignet. Am 1. Juli 1951 wurden durch Zusammenschluss des größten Teils der in der damaligen sowjetisch besetzten Zone Deutschlands (SBZ) enteigneten und in „Volkseigentum“ überführten Glashütter Uhren- und Feinmechanischen Betriebe, gegründet. Auch die erst 1948 zu VEB Mechanik Lange & Söhne verstaatlichte Firma VEB Mechanik Lange & Söhne wurde in den neu gegründeten Betrieb VEB Glashütter Uhrenbetriebe (GUB) eingegliedert.
Dazu gehörten weiterhin die vormaligen Betriebe:
- VEB UROFA und UFAG mit der Abteilung Basalt (Uhrsteinfertigung)
- VEB Feintechnik (vormals Gössel & Co. Bzw. Burckhard)
- VEB Meßtechnik (vormals Mühle & Sohn)
- VEB Estler (Gehäusefertigung)
- VEB Liwas (vormals Otto Lindig)
- Lehrkombinat „Makarenko“
Die einzelnen Glashütter Uhrenmarken verschwinden damit vom Markt. Uhren aus Glashütte galten, im Vergleich zur Massenware aus Ruhla, jedoch auch in dieser Zeit als die wertvolleren Zeitmesser.
Mit der Wende 1989 begann die Restrukturierung und der Wiederaufstieg der traditionsreichen Glashütter Uhrenbetriebe.
Der lange Weg, der zu dieser Zeit noch vor den Glashütter Uhrenbetrieben lag, oder sagen wir mal den Resten davon, wird umso deutlicher, wenn man, abseits der beiden Hauptstraßen, die Glashütte durchziehen, sich auch mal etwas links und rechts davon umsieht und dann z.B. auf einen verfallenen und zum Verkauf stehenden ehemaligen Gebäudekomplex der GUB trifft. (Nachtrag: der mittlerweile abgerissen wurde, da sich kein Investor fand, der das Gebäude übernehmen wollte.)
Die Liste der heute in Glashütte ansässigen bzw. registrierten Uhrenfirmen und -marken, die nach 1990 aus dem ehemaligen VEB Glashütter Uhrenbetriebe (GUB) hervorgegangen sind oder z.T. ganz neu gegründet wurden, liest sich (Stand Oktober 2012) wie folgt:
- A. Lange & Söhne, die TOP-Marke unter den beiden prestigeträchtigsten deutschen Uhrenmarken
- Glashütte Original – die zweite der beiden prestigeträchtigsten deutschen Uhrenmarken
- Union Glashütte – die Zweitmarke von Glashütte Original
- Mühle Glashütte, Nautische Instrumente und Uhren – Wiederanmeldung der alten Firma 1994
- B.Junge & Söhne, neu gegründet 2010
- Nomos Glashütte, neu gegründet1991
- Bruno Söhnle Uhrenatelier, neu gegründet 2000
- Moritz Grossmann, neu gegründet 2008
- C.H. Wolf (ehem. Hemess)
- Tutima, seit 2011 wieder in Glashütte ansässig
- Wempe, heute auch Inhaber und Betreiber der ehemaligen Sternwarte und Chronometerprüfstelle.
Dazu kommen noch eine Reihe kleiner Spezialfirmen für die Fertigung von Uhrenteilen, wie z.B. die SUG oder die zur Schweizer Selitta-Gruppe gehörende GUROFA.
Der Vergleich mit den entsprechenden Uhrmacherregionen in der Schweiz ist in Bezug auf Glashütte auch schon deshalb ein Thema, als sich einige der heute wiedererstarkten, dort beheimateten Premiumhersteller entweder direkt im Besitz von Schweizer Uhren- und Luxusgüterkonzernen befinden, oder aber mit Hilfe zahlungskräftiger Schweizer Investoren sich zu dem entwickeln konnten, was es beim Spaziergang durch Glashütte zu sehen und zu entdecken gibt.
Aber der Reihe nach. Nach einem kurzen Lunch im zentral, direkt an der Hauptstraße gelegenen, sehr empfehlenswerten Bistro „Drogerie“, beginnen wir unseren Rundgang. Direkt gegenüber blicken wir bereits auf eines von mehreren Firmengebäuden der Lange Uhren GmbH.
A.Lange & Söhne
Unter der Leitung des ehemaligen BMW Managers, Wilhelm Schmidt expandiert das heute zum Schweizer Richmont-Konzern (u.a. IWC, Panerai, Jaeger Le Coultre usw.) gehörende Unternehmen stetig weiter. Die entlang der Aldenberger Straße befindlichen Gebäude werden in Kürze durch einen weiteren, auf der gegenüberliegenden Straßenseite noch zu errichtenden Neubau ergänzt.
Gegründet wurde die Uhrenmanufaktur ursprünglich durch den sächsischen Meisteruhrmacher Ferdinand Adolph Lange am 7. Dezember 1845 in Glashütte. In einem frühen Beispiel von staatlicher Strukturpolitik erhielt Lange für die Firmengründung und zur Ausbildung von 15 Lehrlingen im strukturschwachen Glashütte bei Dresden 7.800 Taler vom königlich-sächsischen Innenministeriums als finanzielle Unterstützung in Form eines Kredits.
Die Auszubildenden, so die Idee Langes, sollten sich später selbstständig machen und als spezialisierte Zulieferer dienen. So sollte eine Keimzelle für die deutsche Uhrenindustrie nach dem Schweizer Vorbild entstehen. Das dort etablierte System der Arbeitsteilung und den Wohlstand der Region hatte Lange während seiner Wanderjahre kennengelernt. Um die angehenden Uhrmacher auch nach der Ausbildung am Ort zu halten, sah Langes Plan vor, dass alle Lehrlinge aus der Gegend stammen sollten.
Das ganze Vorhaben und die damit verbundenen Kosten brachten Lange, trotz der staatlichen Unterstützung, an den Rand des Ruins. Er musste sein ganzes Geld und auch das seiner Frau in die Unternehmung stecken.
Lange gelang es, verschiedene Geräte zur exakten Herstellung von Teilen zu entwickeln und die Uhrwerke zum Beispiel durch die berühmte Glashütter Dreiviertelplatine weiter zu verbessern. Die präzisen Maschinen, die niedrigen Lohnkosten und die Arbeitsteilung führten dazu, dass er sehr genau gehende und dabei doch erschwingliche Uhren in Serie herstellen konnte. Die Uhren verkauften sich vor allem in England und Amerika gut.
Langes Plan, eine Uhrenindustrie zu etablieren, ging auf. Seine Lehrlinge machten sich selbstständig und belieferten ihn mit Teilen. Zudem siedelten sich auch andere Uhrenhersteller an: darunter Moritz Grossmann, Robert Mühle und die Uhrenfabrik Union.
Zudem wurde der theoretische Unterricht, der von Anfang an in Langes Plan eine wichtige Rolle spielte, stetig verbessert. Moritz Grossmann war es zu verdanken, dass 1878 die Deutsche Uhrmacherschule in Glashütte eröffnet wurde.
Bereits 1875 beschäftigte der Betrieb von Ferdinand Adolph Lange über 70 Mitarbeiter. Er erzeugte so einen Impuls für die Entwicklung des strukturschwachen, im sächsischen Teil des Erzgebirges gelegenen Glashütte als Zentrum der deutschen Feinuhrmacherei und konkurrierte bereits zu dieser Zeit mit den etablierten Schweizer Herstellern. Die beiden ältesten Söhne von Ferdinand Adolf Lange, Richard und Emil Lange, traten ab 1868 in das väterliche Unternehmen ein. Unter ihrer Regie gelangte die Manufaktur zu Weltruhm. A. Lange & Söhne bestand bis 1948.
In der Zeit der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) wurden sieben noch verbliebene und in Glashütte befindliche Uhrenfabriken und Zulieferbetriebe verstaatlicht und zum Volkseigenen Betrieb VEB Glashütter Uhrenbetriebe (GUB) zusammengefasst. Walter Lange, der Sohn von Rudolf Lange, Enkel von Friedrich Emil Lange und Urenkel von Ferdinand Adolph Lange, wurde 1948 enteignet und floh in den westlichen Teil Deutschlands. Hier begann er 1951 in Pforzheim einen Uhrengroßhandel aufzubauen.
Aus dem Volkseigenen Betrieb GUB ging 1993 als unmittelbarer Nachfolger des VEB die GUB, Glashütter Uhrenbetriebe GmbH hervor.
Im Alter von 66 Jahren gründete Walter Lange am 7. Dezember 1990 die Lange Uhren GmbH als neue Uhrenmanufaktur und hat dabei die Markenrechte für „A.Lange & Söhne“ erworben, die zwischenzeitlich an die Treuhandanstalt gegangen waren. Es existiert zwar keine direkte rechtliche Firmentradition, dennoch ist die Lange Uhren GmbH die Fortführung der traditionsreichen Uhrenmarke.
Mit der Neugründung der A.Lange & Söhne wurde dieser Zweig und ursprüngliche Keimzelle der GUB ausgegliedert. Der Wiederaufstieg der Marke zu Weltruhm ist unter anderem dem damaligen Präsidenten der International Watch Company (IWC), Günter Blümlein, zu verdanken. Mit finanzieller und personeller Hilfe der LMH Holding (Les Manufactures Horlogères), die damals noch zu VDO gehörte und ab 1994 unter dem Dach der Mannesmann AG geführt wurde, gelang es, die Neugründung am Markt zu etablieren. Am 24. Oktober 1994 präsentierten Blümlein und Lange gemeinsam die ersten vier Uhrenmodelle, die LANGE 1, TOURBILLON „Pour le Mérite“, SAXONIA und ARKADE. Die Lange 1, die Saxonia und die Arkade waren mit dem mittlerweile markentypischen und patentierten Großdatum ausgestattet, einer Großdatumsanzeige nach dem Vorbild der Bühnenuhr der Dresdner Semperoper.
2001 ging die A.Lange & Söhne, neben einigen weiteren Schweizer Uhrenmarken, zum Richemont Konzern, mit Sitz im Kanton Genf über.
Glashütte Original / Union Glashütte
In unmittelbarer Nachbarschaft von A.Lange & Söhne, ebenfalls an der Aldenberger Straße, befindet sich in einem Neubau die Zentrale von Glashütte Original sowie von Union Glashütte.
Die Wurzeln der Manufaktur reichen bis ins Jahr 1845 zurück. In Glashütte begann sich eine prosperierende Uhrenindustrie zu entwickeln. Mit dem Zweiten Weltkrieg wurde die Uhrenproduktion aber auf auf Kriegsgerät, wie z.B. Zeitzünder umgestellt. Nach Kriegsende erfolgte die Demontage sämtlicher Fabrikationseinrichtungen durch die sowjetischen Besatzer. 1951 wurden die bis dahin eigenständigen Uhrmacherbetriebe zu einem Großunternehmen fusioniert. Nach der Wiedervereinigung 1990 wurde aus dem VEB Glashütter Uhrenbetriebe (GUB) die Glashütter Uhrenbetrieb GmbH als Rechtsnachfolger aller früheren Unternehmen der Glashütter Uhrenindustrie.
Danach stellte die Firma mechanische Armbanduhren unter dem Markennamen „GUB” und dem Markennamen „Glashütte Original” her. Während unter dem Markennamen „GUB” zugekaufte Schweizer Uhrwerke (ETA) verbaut wurden, kam mit dem Markennamen „Glashütte Original” gleichzeitig das erste wieder in Deutschland gefertigte mechanische Manufakturkaliber mit der Bezeichnung GUB 10-30 zum Einsatz. Zunächst baute „Glashütte Original” einfache Armbanduhren mit der Anzeige von Stunde, Minute, Sekunde und Datum.
Der Unternehmer Heinz W. Pfeifer und der Nürnberger Juwelier Alfred Wallner kaufen die Glashütter Uhrenbetriebe (GUB) am 1. November 1994 von der Treuhand, nachdem ein erster Privatisierungsversuch mit der France Ebauches S.A. gescheitert war. Die Marke heißt von nun an „Glashütte Original“. Pfeifer gelingt es, aus dem ehemals auf billige Massenproduktion ausgerichteten Staatsbetrieb eine exklusive Uhrenmanufaktur der Spitzenklasse zu machen, die mit erfolgreichen neuen Luxusmodellen von sich reden macht.
Die neuen Besitzer gestalten die Produktpalette vollständig um, zudem entwickelte die Firma neue Uhrwerke, z.B. das Kaliber GUB 12-50 (Handaufzug) und das Kaliber GUB 10-60 (Automatik). Bestehende Uhrwerke wurden weiterentwickelt und weitere Neuerungen kamen hinzu, um Komplikationen wie Mondphase, Gangreserveanzeige oder einen ewigen Kalender anbieten zu können. Die Fertigungstiefe wurde stetig erhöht, sogar Schrauben stellt Glashütte Original heute selbst her.
In Fortführung der Tradition preisgünstiger, aber qualitativ hochwertiger mechanischer Uhren belebt Pfeifer auch die in Glashütte beheimatete, renommierte Marke Union Glashütte neu, die sich ebenfalls mit einem neuen Modellprogamm am Markt etabliert.
Im Jahr 2000 wurden beide Firmen an die Schweizer Swatch Group AG verkauft.
Mühle, Nautische Instrumente
Die Familie Mühle kann auf eine über 140 Jahre dauernde wechselvolle Geschichte in Glashütte zurückblicken. Die Wurzeln des Familienunternehmens reichen fünf Generationen zurück – bis ins Jahr 1869 zu Robert Mühle.
Unter der Führung von Paul, Alfred und Max Mühle, den Söhnen Robert Mühles, konnte das Unternehmen seinen Produktbereich erweitern. So wurden ab 1925 auch Uhren für Automobile sowie Geschwindigkeits- und Drehzahlmesser bei „Robert Mühle & Sohn“ gefertigt. Diese kamen nicht nur in Autos der Marken Horch, Maybach und DKW zum Einsatz, auch BMW-Motorräder wurden mit Mühle-Tachometern ausgestattet.
Der Zweite Weltkrieg brachte einen tiefen Einschnitt in die Unternehmensgeschichte. Kurz vor dessen Ende wurde Glashütte von der sowjetischen Luftwaffe bombardiert, wobei auch große Teile der Firma Mühle zerstört wurden. Wie die meisten anderen Glashütter Unternehmen wurde der Familienbetrieb nach Kriegsende demontiert und enteignet. Denn die Tachometer und Autouhren von „Robert Mühle & Sohn“ kamen während des Krieges zum Beispiel in Panzern der deutschen Wehrmacht zum Einsatz. Unter dem Namen „Messtechnik Glashütte“ wurden die verbleibenden Reste des Betriebs an die Zeiss-Werke Jena angegliedert.
1951 wurden die verbliebenen Glashütter Uhrenfirmen – darunter auch Mühle – in dem VEB Glashütter Uhrenbetriebe (GUB) zusammengefasst.
Während die Namen der meisten Glashütter Unternehmen auf diese Weise verschwanden, blieb der Name „Mühle“ weiterhin mit dem Zentrum der deutschen Feinuhrmacherei und dem präzisen Messen verbunden. Hans Mühle gründete noch im Dezember 1945 ein neues Unternehmen, das weiterhin Messgeräte sowie Zeigerwerke für Druck- und Temperaturmessgeräte herstellte.
1972 wurde der Familienbetrieb ein zweites Mal zwangsverstaatlicht. Dabei wurde er zunächst in einen volkseigenen Betrieb umgewandelt und 1980 in den VEB Glashütter Uhrenbetriebe (GUB) eingegliedert. Hans-Jürgen Mühle war weiterhin im Betrieb tätig und wurde später Vertriebsleiter des VEB Glashütter Uhrenbetriebe.
Die Wiedervereinigung Deutschlands ermöglichte ihm schließlich, das Unternehmen seiner Vorfahren wiederzubeleben. So gründete er 1994 die „Mühle-Glashütte GmbH Nautische Instrumente und Feinmechanik“.
Zu Beginn fertigte Mühle professionelle Marinechronometer, Schiffsuhren und andere nautische Instrumente wie Baro- oder Hygrometer. Zwei Jahre später wurde die Produktion auf mechanische Armbanduhren erweitert, die schnell zum Hauptgeschäft des Unternehmens wurden. Mühle nutzte für die Produktion seiner Armbanduhren zunächst Werke aus Schweizer Produktion, die im eigenen Haus veredelt wurden. Im Jahr 2005 kam es mit Nomos Glashütte zu einem Rechtsstreit darüber, ob die Arbeiten an den Uhrwerken der sogenannten „Glashütte-Regel“ (d.h. 50 Prozent der Wertschöpfung müssen in Glashütte erzielt werden) genügten. Der Rechtsstreit eskalierte und Mühle musste im Oktober 2007 Insolvenz anmelden.
Im Oktober 2007 übernahm Thilo Mühle, der Sohn von Hans-Jürgen Mühle, die Geschäftsführung mit der schweren Aufgabe, das Unternehmen aus der Insolvenz zu führen. Der mit dem Insolvenzverwalter ausgearbeitete Plan zur Restrukturierung überzeugte, sodass das Verfahren bereits im März 2008 eingestellt wurde. Mühle konnte die Herkunftsbezeichnung „Glashütte“ weiterhin im Unternehmensnamen und auf den Zifferblättern der Zeitmesser führen.
Unter der Führung Thilo Mühles hat der Uhrenhersteller seine Fertigungstiefe bis heute stetig ausgebaut. Neben der bereits 2003 entwickelten und patentierten Spechthalsregulierung, dem Mühle-Rotor sowie einer neu entwickelten Glashütter Dreiviertelplatine verfügt das Unternehmen heute über zwei Uhrwerke mit eigener Kaliberbezeichnung: das Chronographenwerk MU 9408 und das im März 2011 vorgestellte Handaufzugswerk MU 9411.
Fortsetzung: Der Mythos Glashütte. Das Ergebnis einer Recherche (Teil 2)
Der Autor:
Herr Dipl.-Ing. (FH) Patrick Weigert ist als Geschäftsführer einer Unternehmensberatungsgesellschaft überwiegend für deutsche Automobilhersteller und deren Zulieferer tätig und als begeisterter Uhrensammler auch Mitbegründer und Gesellschafter beim Deutschen Uhrenportal.
Quellenangabe:
Einzelne Textbausteine zusammengestellt aus Wikipedia und Uhren-Wiki, ergänzt um umfassende Recherchen zu den Einzelthemen sowie Erkenntnissen aus zahlreichen Gesprächen vor Ort.
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