Wird 2015 das Jahr der Smartwatch und Wearables?

Als wir vor gut 2 Jahren begannen, das Thema Smartwatch, anlässlich verschiedener Veranstaltungen kritisch zu hinterfragen, sind wir belächelt und in unseren Fragestellungen mehr ausgebremst, denn ernst genommen worden.

Nun hat sich der Wind gedreht und bläst den einst Ungläubigen mit massiver Wucht ins Gesicht. Ein Trend, der nicht mehr aufzuhalten und das Marktgeschehen – unserer Einschätzung nach beginnend mit dem Jahr 2015 – nachhaltig und schmerzhaft verändern wird.

War bis vor wenigen Wochen noch die Diskussion in vollem Gange, wer von welchem Hersteller welches Kontingent an Spiralfedern und mechanischen Uhrwerken zugeteilt bekommt, so wird es schon in naher Zukunft ein Überangebot dessen geben. Somit wird sich auch die Frage nach Sinn oder Unsinn immer neuer Manufakturkaliber in immer höheren Preisklassen in Kürze vermutlich nicht mehr stellen.

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 Bild: ASUS ZenWatch

Die Marktsegmente werden sich hin zur intelligenten Uhr verschieben, die Bedarfe an mechanischen Werken also zwangsläufig zurückgehen. Ob es zu einer weichen oder eher harten Landung kommt, ist derweil offen. Und hierbei kommt es dummerweise nicht zu einer Umverteilung innerhalb der etablierten Hersteller, nein es kommen ganz neue Player hinzu, die frei von jeder Heritage, und damit keiner Tradition verpflichtet, höchst effizient und mit rasanter Geschwindigkeit völlig neue Ideen entwickeln, verwirklichen und letztlich zur Marktreife führen. Das sind nicht nur die ganz Großen, die das Thema Multifunktionsuhr für sich reklamieren und voran bringen, sondern eine Reihe von kleinen Start-Ups, wie Pebble oder Kairos, die der ganzen Branche aktuell das Fürchten lernen und zeigen, wo vorne ist. Selbst Microsoft wacht langsam auf, Apple ist schon aufgewacht, ganz zu schweigen von Google und Yahoo, die diesen Trend mit vollem Engagement und entsprechenden Softwareplattformen aktiv unterstützen.

Einen ganz anderen Weg schlägt Hewlett Packard ein. Sie kooperieren mit dem New Yorker Stardesigner Michael Bastian und bringen unter seinem Namen die erste Smartwatch MB Chronowing auf den Markt. Der ganze, bewusst stylisch gehaltene Auftritt lässt aufhorchen.


Nur, wo bleiben die klassischen Uhrenhersteller, die doch den Platz am Handgelenk für sich bislang ganz selbstverständlich in Anspruch nehmen konnten und doch nicht einfach für neue Produkte ganz anderer Anbieter freigeben können. Man könnte fast glauben, der Dornröschenschlaf dauert an, wenn nicht Jean-Claude Biver das Thema nun auch für TAG Heu
er oder Jérôme Lambert für Montblanc entdeckt hätten. Ob das, was man sich dort aktuell ausgedacht hat, geeignet ist, die Kaufentscheidung zu deren Gunsten zu beeinflussen, bleibt abzuwarten. Zumindest die Lösung von Montblanc wirft doch etliche Fragen auf. Da wird versucht, in Windeseile etwas auf den Markt zu bringen, dessen realer Nutzen und Gebrauchswert zumindest noch gehörig Raum für Verbesserung bietet. J.-C. Biver räumt sogar ein, diesen bereits in Fahrt befindlichen Wandel falsch ein- und deutlich unterschätzt zu haben.

Aber zumindest tut sich da jetzt etwas; ein wichtiger erster Schritt!

Und was tut sich bei der Swatch-Group, die immer noch hauptsächlich damit beschäftigt zu sein scheint, Spiralfeder- und Werkskontingente zu zählen und zu verteilen? Oder ihr betriebswirtschaftlich waghalsiges Projekt Sistem 51 über aufwendige Werbekampagnen versucht zu vermarkten; ein vollautomatisch produzierter und als Wegwerfartikel konzipierter, mit billiger Kunststoffhemmung versehener Zeitmesser, den wahrlich niemand braucht.

Und was tut sich bei den zahlreichen deutschen Uhrenherstellern? Offensichtlich auch nicht gerade viel. Zumindest sprechen die Hersteller nicht öffentlich darüber, entweder weil es in Ermangelung entsprechender Ideen hierüber nicht viel zu berichten gibt, oder da die Projekte noch in den Entwicklungslabors heranreifen und der Wettbewerb nicht zu früh erfahren soll, was da in der Mache ist. Hoffen wir mal, dass Letzteres des Fall ist.

Wo geht die Reise hin, was kommt da auf uns zu?

Wir, als begeisterte Träger hochwertiger mechanischer Uhren, haben einen Stilbruch begangen, sind über den eigenen Schatten gesprungen und haben uns für 3 Wochen eine Smartwatch neuester Bauart ums Handgelenk gebunden. Akkulaufzeit knapp eine Woche, mit diskreter und unauffälliger Mitteilung über eingegangene Mitteilungen aller Art und natürlich integrierter Fitnessüberwachung. Da fragten wir uns zunächst schon, was soll das, wer braucht das? Nun, 3 Wochen später, und um einige Erfahrungen reicher, ist die Antwort ziemlich eindeutig. Wirklich brauchen tut das niemand. Einen elektrischen Fensterheber im Auto oder eine Klimaanlage benötigt aber eigentlich auch niemand. Nur, hat sich Mann oder Frau einmal daran gewöhnt, was bekanntlich recht schnell geht, so will und kann man/frau eigentlich nicht mehr zurück.

So ähnlich ergeht es uns mit der Smartwatch. Das Ding bietet einen echten Mehrwert, ohne dabei zu nerven. Und so gehen wir davon aus, dass dieser Trend nur der Anfang einer neuen Ära sein wird. Kommen dann gar noch völlig neuartige Funktionen, wie einfach zu handhabende Bezahlsysteme z.B. per NFC (Near Field Communication) hinzu, so sollte eigentlich dem letzten Zweifler klar werden, was hier abgeht und dass wir es nicht mit einer kurzfristigen und vorübergehenden Modeerscheinung zu tun haben, sondern sich die ganze Sache zu einem echten „Must Have“ entwickeln wird. Das ist keine Evolution, nein, das gleicht einer Revolution!

Die hochwertige, handwerklich gefertigte, mechanische Uhr, als Ausdruck eines bestimmten Lebensstils und als Vorzeigeobjekt erreichten Wohlstands, wird wohl weiterhin ihren Weg machen und als langlebiges Gebrauchsgut in gewisser Weise auch ihre Daseinsberechtigung behalten. Ob es allerdings der ganzen Vielfalt des heutigen Angebotes bedarf, kann zumindest bezweifelt werden. Ob das Zifferblatt dann aus Meteoritengestein oder Schiffsbodenholz gefertigt ist, zeigt nur, dass auch hier die Grenzen der Phantasie und des Machbaren erreicht sind.

Was passiert im Bereich der eher günstigeren Sport-, Quartz-, Funk- und sonstigen Uhren? Hier wird es wohl die massivsten Verschiebungen geben. Die Anbieter von Smartwatches bewegen sich heute hauptsächlich im Bereich zwischen 100 und 400 Euro. Weshalb soll sich bitte in dieser Preisklasse zukünftig jemand eine Funkuhr oder eine batteriebetriebene, vielleicht ganz nett anzusehende Quartzuhr zulegen, wenn ihm doch die Smartwatch für gleiches oder sogar weniger Geld die gleiche Genauigkeit bei einer Vielzahl weiterer Funktionen und damit echten Mehrwert bietet.

Aber auch im höherpreisigen Segment schließen wir Marktverschiebungen nicht aus. Weshalb soll es nicht schick oder hipp sein, sich mit einer hochwertigen Apple Watch unters Volk zu mischen, oder sich mit der brandneuen, durchaus sehr edel daherkommenden ASUS ZenWatch sehen zu lassen.


So wie TESLA den etablierten Automobilherstellern gerade zeigt, wo der Hammer hängt, werden Samsung, LG, Apple, ASUS, Microsoft, Google, Pebble, um nur einige zu nennen, mit ihren neuesten Entwicklungen den etablierten Uhrenherstellern zeigen, was Sache ist. Allein schon die angekündigten Produktionszahlen lassen einem ganz schwindelig werden. Bei Apple wird aktuell noch diskutiert, ob 10 oder vielleicht doch eher 50 Mio. Einheiten im ersten Produktionsjahr verkauft werden.

Das Internet ist bereits voll an entsprechenden Foren und Communities. Die auf Smartwatches zugeschnittenen Apps sind für die gängigen Plattformen schon zahlreich abrufbar und werden jeden Tag mehr.

Auf was warten wir eigentlich noch?

Vielleicht auf die Frage, was sich von all dem, was es bereits gibt bzw. in Kürze noch geben wird, nachhaltig etablieren und als sinnvoll erweisen wird. Und was davon als vorübergehende Erscheinung zu werten ist und vom Markt genauso schnell wieder verschwinden wird, wie es gekommen ist. Der Kunde wird entscheiden, wer nach vorne kommt und auch dauerhaft vorne bleibt. Zweifellos: spannende Zeiten kommen da auf uns zu.

In erster Linie möchten wir zum Nachdenken anregen und den ein oder anderen Hersteller ermutigen, doch einmal quer zu denken. Vor noch gar nicht so langer Zeit wurde der Röhrenfernseher vom Flachbildschirm abgelöst und kaum jemand trauert heute der alten Technologie nach.

Wir werden diesen noch jungen Trend auf jeden Fall weiter aufmerksam verfolgen und unsere eigenen, ebenfalls noch jungen Erfahrungen sukzessive ausbauen und darüber berichten.

 

Der Autor:
Herr Dipl.-Ing. (FH) Patrick Weigert ist als Geschäftsführer einer Unternehmensberatungsgesellschaft überwiegend für die deutsche Automobilindustrie tätig und beobachtet und analysiert als Mitbegründer und Gesellschafter beim Deutschen Uhrenportal auch die Entwicklungen auf dem Sektor für hochwertige mechanische Uhren.

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