Baselworld 2015: Erste Bremsspuren bei Anbietern von Luxusuhren

Die Baselworld 2015 öffnete Ihre Pforten wie gewohnt glamourös und setzt in Sachen Aussteller und dort präsentierter Neuheiten abermals auf weiter steigende Kauflaune und Zuversicht für ein neues Rekordjahr 2015; und zwar allen Unkenrufen zum Trotz. Entgegen aller Krisen in Nordafrika, der Ukraine, Unruhen in Hongkong, Antikorruptionsgesetze und einer sich merklich abkühlenden Konjunktur in China, Russlandsanktionen, dem drohenden Griechenland Grexit, oder dem schwachen EURO – die Liste ließe sich fortführen – tut die Schmuck- und Uhrenbranche so, als wäre weiterhin alles in bester Ordnung und befindet sich zumindest in der Außendarstellung weiter in Partylaune.

Aber nicht nur die beschriebenen geopolitischen Risiken lassen aufhorchen, auch die neue und von vielen noch immer unterschätzte Gefahr, die von der Gattung der vieldiskutierten Wearables und Smartwatches ausgeht. Hier wird viel Unsinn erzählt und berichtet; so mancher Kollege aus der schreibenden Zunft wiegelt ab und tut so, als sei dies alles kein Wirkliches oder lediglich ein vorübergehendes Problem. Anhand des Geschriebenen wird dann schnell klar, dass der-  oder diejenige sich mit dem Thema noch nicht wirklich qualifiziert auseinandergesetzt hat, geschweige denn eigene Erfahrung im Umgang mit der neuen Technologie gesammelt hat. Da wird lieber mit der heißen Nadel gestrickt und das Thema verdrängt, so gut es eben geht. Besitzstandswahrung ist komfortabel, hat aber leider selten funktioniert.

Das Tragische an der Geschichte ist, dass es weltweit mittlerweile an die 200 Unternehmungen gibt, die sich intensiv um Hard- und Softwareentwicklungen für den neuen Zweig der sog. Wearables kümmern, allesamt aus der IT-Branche, ob Giganten wie Apple oder Samsung oder Start-Ups wie Pebble oder Kairos, die es bis vor Kurzem noch gar nicht gab. Traditionelle Uhrenhersteller sind, bis auf wenige Ausnahmen (z.B. TAG Heuer, Frederique Constant, Breitling, oder Casio) zumeist (noch) nicht mit von der Partie. Die Abermillionen dieser tragbaren Geräte, die jährlich mit steigender Tendenz abgesetzt werden, worunter auch die intelligenten Uhren zählen, belegen zunehmend die Handgelenke, die bislang – zumindest potenziell – das vermeindliche Monopol der klassischen Uhrenhersteller waren.

Ob dann der Träger einer Smartwatch, wenn er sich erst einmal an die zahlreichen Zusatzfunktionen gewöhnt hat, auf diese wieder verzichten möchte, nur um dann gelegentlich oder auch dauerhaft eine mechanische Uhr zu tragen, muss mit einer gehörigen Portion Skepsis bewertet werden.

Zumal sich die Preise für hochwertige mechanische Uhren in den letzten Jahren wider aller Vernunft und Nachvollziehbarkeit entwickelt haben. Die Gewinne der Konzerne sind sprunghaft von einem Rekord zum nächsten gestiegen. Jüngere Kunden sind nicht mehr bereit, diesem Trend kritiklos zu folgen. Hier stehen mittlerweile andere Attribute und Werte im Vordergrund.

Die immer wieder geäußerte These, dass der ein oder andere überzeugte Nichtuhrenträger per Smartwatch wieder zum Uhrenträger wird, mag im Ansatz zwar zutreffen, ob jedoch exakt dieser Kunde, über Kurz oder Lang, dann auch den Zugang zu mechanischen Uhren finden wird, darf jedoch angezweifelt werden. Was bitteschön soll diesen Kundenkreis bewegen und motivieren, die zusätzlichen Funktionen einer Smartwatch wieder gegen etwas einzutauschen, was im Wesentlichen nur die Zeit anzuzeigen vermag und dazu in der Regel viel teurer ist. Da müssten dann schon andere Mechanismen greifen.

Nun, die Auswirkungen des Beschriebenen sind bei einigen, renommierten Adressen bereits deutlich zu spüren:

Das Produktionswerk von TAG Heuer zur Herstellung eines neuen Chronographenkalibers in Chevenez wurde kurzer Hand still gelegt, 40 Mitarbeiter mussten gehen. Das gesamte Produktportfolio wird im Eiltempo überarbeitet und in niedrigeren Preisregionen positioniert. Um den neuen Anspruch und Spirit im Unternehmen schnellstmöglich zu etablieren, wurde nahezu die gesamte Führungsmannschaft ausgetauscht.

Patek Philippe, die in Genf ansässige Uhrenmanufaktur der unangefochtenen Extraklasse, senkt – für die Branche überraschend und gänzlich unüblich – die Preise für seine Uhren in Hongkong und auf dem so wichtigen chinesischen Markt um bis zu 22%. Die Schweizer Handelszeitung schreibt dazu: „So etwas gab es noch nie“. Entsprechend trat Thierry Stern bei der Verleihung des ersten Preises bei der Wahl zur Uhr des Jahres („Grandmaster Chime“) in angenehmer Bescheidenheit vor das Mikrofon. Eine Tugend, die gegenüber der sonst in der Branche häufig anzutreffenden Arroganz, geradezu wohltuend wirkt.

IWC Schaffhausen stoppt den bereits im September 2014 mit feierlichem Spatenstich begonnenen Neubau für 40 Millionen Franken und verschiebt das Projekt nach eigenen Angaben um mindestens 1 Jahr. Auch solch eine Entscheidung stellt einen höchst ungewöhnlichen Schritt dar und ist mit dem zum EURO gestärkten Schweizer Franken als offizielles Statement alleine nicht zu erklären. Dahinter steckt nichts anderes als ein handfestes (Finanzierungs-) Problem.

Also alles klare Anzeichen dafür, dass der Motor nicht mehr so rund und mit stetig höherer Drehzahl läuft, wie in den vergangenen Jahren. Die erfolgsverwöhnten Konzernlenker stimmen sich und ihre First-Line auf stürmischere Zeiten und unwegsameres Gelände ein.

Wie formulierte doch ein Branchenkenner mit kritischer und überraschend offener Stimme auf der Baselworld 2015 gegenüber dem Deutschen Uhrenportal: „Die Krise kommt nicht erst, nein, sie ist bereits da“.

Da muten die zahlreichen neuen Manufakturkaliber, die auf der Baselworld 2015 gezeigt oder angekündigt wurden, schon reichlich obskur an. Ob in Anbetracht eher schwacher Umsatzzuwächse der vieldiskutierte Versorgungsengpass mit Werken wirklich noch eine reale Gefahr darstellt, darf mithin bezweifelt werden. Das letzte was die Branche jetzt gebrauchen kann, sind Überkapazitäten, wie das in der Automobilindustrie bereits seit Jahren der Fall ist. Jene Firmen, die auf die kostenintensive Entwicklung eigener Kaliber bewusst verzichten, berichten nahezu unisono, dass sich die Versorgungslage zunehmend entspannt und die Suppe längst nicht so heiß gegessen, wie gekocht wird. Was uns das wohl sagen mag?

Weiterführende Informationen und Links zum Thema:

Schweizer Handelszeitung
Cash, Wirtschafts- und Finanzinfo
Manager Magazin
Deutsches Uhrenportal

Der Autor: Herr Dipl.-Ing. (FH) Patrick Weigert ist als Geschäftsführer einer Unternehmensberatungsgesellschaft überwiegend für die deutsche Automobilindustrie tätig und beobachtet und analysiert als Mitbegründer und Gesellschafter beim Deutschen Uhrenportal auch die Entwicklungen auf dem Sektor für hochwertige mechanische Uhren.

1 Kommentar

  1. Guten Tag Herr Weigert,
    erst jetzt habe ich Ihren Artikel mit Interesse gelesen.
    Auch wenn einige Zeit verstrichen ist, möchte ich dennoch meine individuelle Sicht schildern. Ich stimme Ihnen in dem Punkt zu, dass die Preisentwicklung der letzten Jahre an Borniertheit kaum zu übertreffen ist. Vor diesem Hintergrund neue Kunden und/oder junge Kunden zu gewinnen, dürfte schwierig werden. Das ärgert mich auch!
    Ein völlig anderer Punkt ist das Thema Smartwatch. Hier vertrete ich eine andere Auffassung. Eine mechanische Luxusuhr war noch nie bekannt dafür, dass sie die Uhrzeit sekundengenau anzeigen kann. Schön, wenn sie eine geringe Gangabweichung hat. Wenn es ein paar Sekunden mehr sind, macht das aber auch nichts. Auch erwartet niemand, dass eine Patek & Co. meinen Kalorienverbrauch und meine durchschnittliche Herzfrequenz anzeigt. Hier geht es für mich zumindest mehr um die filigrane Handwerkskunst des Uhrmachers, die ich am Handgelenk tragen darf. Außerdem ist es aus männlicher Sicht eher begrenzt, sich zu „schmücken“. Hierfür bietet eine Luxusuhr die einzige echte Möglichkeit, für Business, Feierlichkeiten oder Freizeit den jeweils passenden Schmuck zu tragen. Das ist nicht für jeden Menschen wichtig, ganz klar. Doch diejenigen, für die es ein Stück Lebenseinstellung widerspiegelt, ist eine Luxusuhr eben unabdingbar und durch eine Smartwatch in keinster Weise substituierbar.
    Ich jedenfalls wünsche allen Uhrmacherinnen und Uhrmachern weiterhin eine ruhige und geschickte Hand.

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